Die Leibwächterin (German Edition)
Sicherheitsanalyse vorzunehmen. Das Seminarprogramm stand im Internet, im Prinzip konnten also irgendwelche Spinner in Kopparnäs aufkreuzen, um zuzuhören.
Ich schwamm bis zur Erschöpfung, doch selbst das dämpfte nicht meine nervöse Lust. Es erregte mich, dass ich nicht wusste, in wessen Lager David Stahl stand. Helena war müde und ging schon vor zehn Uhr mit einem Buch ins Bett, während ich meine Lügengeschichte auswendig lernte und meinen Koffer packte. Reiska blieb in Kirkkonummi zurück, an diesem Wochenende würde ich ganz und gar Hilja sein.
Am nächsten Morgen nieselte es, doch es war warm, und schon bei Siuntio riss die Wolkendecke auf. Die gelblichen Stoppelfelder wurden umgepflügt, große Gänseschwärme zogen am Himmel nach Süden. Als wir an die Kreuzung nach Degerby kamen, ließ sich bereits die Sonne blicken. Ich stieg aus, nahm mein Gepäck und sagte, ich käme bald nach. Sobald Ullas Auto außer Sichtweite war, holte ich mein Rad aus dem Straßengraben, wo es tagelang unbehelligt gelegen hatte.
Offenbar hatte niemand mein Ferienhaus betreten; in dem Kartoffelmehl, das ich auf den Fußboden gestreut hatte, waren jedenfalls keine Spuren zu sehen. Ich vergewisserte mich, dass Anitas Tresorkasten noch in seinem Versteck lag, und schämte mich, als ich sah, wie zerdellt er war. Ich setzte alle Hoffnung darauf, dass Cecilia mir den Code nennen könne.
Ich radelte im T-Shirt nach Kopparnäs, so warm war es. Ich hatte mir die Augen schwarz und weiß geschminkt und die großen runden Ohrringe angelegt, die ich nur selten trug. Auch sie waren ein Mittel, das Äußere zu verändern, und sollten meine immer noch kurzen Haare kompensieren. Insgesamt glich ich einer weißen Version von Grace Jones.
David stand wartend vor dem Gasthof. Der Tarnanzug und die schweren Stiefel sahen bei ihm sexy aus, ich hatte sofort Lust, seine lächelnden Lippen zu küssen. Warscheinlich verströmte ich Pheromone wie eine Schimpansin. An der Tür zum Hauptgebäude des Gasthofs hing ein Plakat der Grünen, der Parkplatz war voll. David bot sich an, meinen Rucksack in sein Zimmer zu bringen. Da ich ihn auf keinen Fall mit meinen Sachen allein lassen wollte, ging ich mit. Dabei konnte ich mich nur mit Mühe davon abhalten, uns beiden die Kleider vom Leib zu reißen. Davids Zimmer war wirklich kein Luxusquartier: ein Doppelbett mit kleinen Nachttischen zu beiden Seiten, ein Frisiertisch mit Spiegel und ein Stuhl. Die Textilien waren in verschiedenen Gelbtönen gehalten, und die ganze Atmosphäre erinnerte an eine alte Sommerhütte. Der Raum roch nach David, ich musste unbedingt hinaus, bevor sein Geruch mich restlos um den Verstand brachte. David nahm seinen Rucksack mit, aus dem eine Thermosflasche ragte. Offenbar sollte es unterwegs Kaffee geben.
Er holte den Pilzkorb aus seinem Wagen, ein Messer hatte ich selbst mitgebracht. Die giftigen Schleierlinge vom letzten Mal hatte ich inzwischen weggeworfen, im Wald standen genug davon, falls ich sie brauchte. Wir gingen über die Leiritie ans Ufer. Ich ließ David reden, er war keiner, dem man jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen musste. Ich hörte genau zu, suchte in seinen Geschichten nach Hinweisen darauf, dass er mich unter Reiskas Maske erkannt hatte, doch er erwähnte seine Anwesenheit in Kirkkonummi mit keinem Wort, und ich wagte nicht, ihn danach zu fragen. David erzählte von seinem Besuch in Tammisaari und gab Kindheitserinnerungen zum Besten, die an sich nicht ungewöhnlich waren – die üblichen Jungenspiele, Fußball und Segeltörns um die Halbinsel Hankoniemi.
«Das Segeln habe ich in Tartu am meisten vermisst. Ich hatte eine eigene kleine Jolle, mit der ich dort absolut nichts anfangen konnte, so weitab vom Meer. Vorgestern habe ich im Hafen von Tammisaari eine Jolle gemietet und bin zu den Inseln gefahren, die ich von früher kenne. Es war richtig schön. Kannst du segeln?»
«Rudern ist eher mein Ding.» Ich bückte mich, um einen Giftreizker am Wegrand zu pflücken. David schien überhaupt nicht nach Pilzen Ausschau zu halten, außerdem wuchsen die nicht mitten auf dem Weg, wir hätten tiefer in den Wald gehen müssen. Jede halbwegs brauchbare Einbuchtung am Weg war zugeparkt, die Leute waren scharenweise unterwegs.
«Was macht ein Berater in der Baubranche eigentlich? Das ist mir beim letzten Mal unklar geblieben.»
«Ich bringe Menschen und Grundstücke zusammen. Im Auftrag von Kunden suche ich nach geeigneten Parzellen oder besorge einen
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