Die Leibwächterin (German Edition)
Tiku Aaltonen verspeiste ich zum Frühstück, aber Walentin Paskewitsch und seine Gorillas waren ein anderes Kaliber. Freund Walentin und ich würden einander nie Postkarten mit rosa Herzchen schicken. Allenfalls eine Kugel ins Herz.
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17
Der nächste Monat flog nur so dahin, obwohl ich mich im Parlament mit völlig uninteressanten Dingen beschäftigen musste.
Einmal traf ich mich mit Felicia Karhunen in einem Café, doch über Anitas Geschäftstätigkeit wusste auch sie nichts zu berichten. Ich deutete an, dass ich im Gedenken an die alten Zeiten gern noch einmal Anitas Haus besucht hätte, aber Felicia konnte mir nicht helfen, denn auch sie hatte keinen Schlüssel mehr, und das Reihenhaus stand bereits zum Verkauf. Da ich die Sicherheitsanlage kannte, hätte ich einbrechen können, die Erinnerung an Anita schien dies sogar direkt zu fordern, doch ich wagte es nicht. Wenn ich aus irgendeinem Grund erwischt wurde, stünde ich in Laitios Augen noch verdächtiger da.
Cecilia Nuutinen-Kekki hatte sich nicht mehr gemeldet, offenbar hatte es also bei der Testamentseröffnung nichts gegeben, was mich betraf. Natürlich hatte ich keine testamentarische Schenkung für treue Dienste erwartet, aber gehofft, dass sich in ihrem Nachlass Unterlagen finden würden, die erklärten, warum sie erschossen worden war. Vielleicht war Paskewitschs Rachsucht tatsächlich der einzige Grund. Allerdings war es auch ihm nicht gelungen, das Grundstück in Kotka zu erwerben; die Boulevardblätter berichteten nämlich, dass der Geschäftsmann Usko Syrjänen es gekauft hatte. Er wollte dort einen Eliteclub für eine handverlesene Klientel bauen lassen, durch hohe Zäune und Wächter geschützt.
«In Finnland fehlt ein solcher Privatclub von internationalem Niveau, in dem man keine Angst vor Klatschreportern und Kamerahandys zu haben braucht. Ich weiß, wovon ich rede», erklärte Syrjänen, ein ebenso notorischer Schürzenjäger wie Paskewitsch. «Wenn es in Finnland nicht genügend Interessenten gibt, hat unser östlicher Nachbar sie in Hülle und Fülle zu bieten.»
«Klingt nach einem teuren Bordell», seufzte Helena, als ich ihr den Artikel zeigte. «Ein cleverer Geschäftsmann findet immer einen Weg, das Gesetz zu umgehen.»
Das Parlament war eine völlig fremde und seltsame Welt für mich, und ich musste hart arbeiten, um mich wenigstens halbwegs hineinzufinden. Am Wochenende nach Anitas Beerdigung hatte ich der Alarmanlage in Helenas Haus den letzten Schliff gegeben, und da keine Drohungen mehr kamen, war ich von der Leibwächterin zur Parlamentsassistentin mutiert. Offenbar hatte tatsächlich nur Tiku Aaltonen Helena bedrängt, und der hatte sich von Reiska abschrecken lassen. Ich begleitete Helena zu Wahlveranstaltungen, kümmerte mich um ihre Korrespondenz und ihren Terminkalender. Als Kurzzeitjob war es ganz in Ordnung, fünf Wochen lang hätte ich notfalls auch als Kindergärtnerin oder Ladendetektivin durchgehalten, aber auf lange Sicht war diese Arbeit nichts für mich.
Im Frühjahr hatten einige Abgeordnete, deren gemeinsames Merkmal fischstäbchenförmige Oberlippenbärte waren, durch ihr sexistisches Verhalten einen Skandal ausgelöst, weshalb ich annahm, die Männer im Parlament hätten ihre Lektion gelernt. Doch eine neue Mitarbeiterin schien das Interesse einiger Herren zu wecken, vor allem solcher, deren Augen sich eher auf der Höhe meiner Brüste als meines Gesichts befanden, wenn ich Schuhe mit Zehnzentimeterabsätzen trug. Helena fragte, wie ich darin überhaupt gehen konnte, und gelegentlich wunderte ich mich selbst darüber, denn meine Füße waren eher an Turnschuhe oder Wanderstiefel gewöhnt. Die in Stöckelschuhen eins neunzig große Assistentin von Helena Lehmusvuo prägte sich den Pförtnern und dem Personal der Parlamentsbibliothek rasch ein. Zehn Zentimeter kleiner und ungeschminkt wäre ich ein ganz anderer Mensch für sie gewesen. Ich schaffte mir zwei mit Rüschen besetzte Miniröcke an, derentwegen die Männer mit den Fischstäbchenbärten mir die Schuld geben würden, wenn sie mich betatschten, wie das Männer ja oft taten. Auch meine Lederhose schien die Atmosphäre im Paternoster aufzuheizen.
Da ich von der Hackordnung im Parlament oder innerhalb der Fraktionen keine Ahnung hatte, setzte ich mich in der Cafeteria einfach immer an den erstbesten Tisch. Ein blonder Mann schien zu meiner Verwunderung nervös zu reagieren, als ich neben ihm Platz nahm. Vielleicht dachte er, ich
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