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Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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suchte seine Bekanntschaft. Ein paar Tage später ging mir auf, dass er der Verteidigungsminister war. Ich bemühte mich zwar, Gesichter und Namen zu lernen, doch da ich nur fünf Wochen bleiben würde, war meine Motivation nicht besonders hoch. Es amüsierte mich, wenn Besuchergruppen auch mich anstarrten wie eine Prominente.
    Während all der Wochen gelang es mir nicht, David zu vergessen. Deshalb war ich freudig überrascht, als ich eines Tages in meiner Wohnung in der Untamontie einen wunderbar altmodischen Brief von ihm vorfand, der in Kotka abgestempelt war.
    «Liebe Hilja».
    Allein die Anrede elektrisierte mich schon, obwohl ich wusste, dass man sie im Schwedischen auch bei alten Tanten aus der Nachbarschaft so anwendete. David schrieb, er habe versucht, mich telefonisch und per E-Mail zu erreichen, und schließlich über einen Suchdienst meine Postadresse gefunden. Ob ich ihm böse sei und deshalb nicht geantwortet hätte? Es habe ihm so leidgetan, dass er überraschend abreisen musste, aber es sei unumgänglich gewesen. Anschließend habe es ihn nach Madrid verschlagen, und von dort habe er mir etwas mitgebracht. Ob wir uns treffen könnten, fragte er. Er komme in der Woche, die mit dem 20. Oktober beginne, nach Helsinki und wohne im Hotel Torni.
    Das war die letzte Woche vor der Wahl, Helena hatte Wahlveranstaltungen in der ganzen Provinz Uusimaa, und ich hatte versprochen, sie zu begleiten. Am Mittwoch würde sie den ganzen Abend am Stand der Grünen im Zentrum von Helsinki verbringen, und da dort auch andere anwesend waren, würde ich mir sicher ein paar Stunden freinehmen können. David hatte keinen Absender angegeben, also rief ich ihn kurzerhand an.
    «Hilja hier, hallo. Entschuldige, dass ich nicht früher angerufen habe. Mein Handy ist in eine Pfütze gefallen und hat den Geist aufgegeben, und der Sim-Chip war auch nicht mehr zu retten.» Natürlich musste ihm klar sein, dass ich log, aber spielte das eine Rolle?
    «Wie schön, deine Stimme zu hören! Wie geht es dir? Warum hast du mir eine Nachricht auf Finnisch hinterlassen, ohne deine Telefonnummer anzugeben? Ich habe kein Wort verstanden.»
    Seine Stimme genügte, um mich in Erregung zu versetzen. Ich war auf der Stelle bereit, mich mit ihm zu treffen, wo immer er wollte. Nach dem Gespräch lag ich auf meiner Matratze und bemühte mich, zur Ruhe zu kommen. Ein Mann, der so starke Reaktionen auslöste, war gefährlich. Dennoch zählte ich schon jetzt die Tage und Stunden, und es half nicht unbedingt, dass Riikka im Nebenzimmer einen Song von Vuokko Hovatta hörte, in dem es hieß: «du siehst mich an wie ein Luchs».
    Obwohl ich mir alle Mühe gab, unbeteiligt zu bleiben, riss das Wahlkampfgetümmel auch mich mit. Helena hörte sich mit Engelsgeduld die Kritik der Wähler an. Manche hielten die Grünen für stalinistisch, andere hielten sie für einen Haufen naiver Tierschützer, wieder andere für Handlanger der Bourgeoisie. Wenn die Kommentare mit allzu vielen Schimpfwörtern gespickt waren, nahm ich die Leibwächterhaltung ein.
    Einen Tag vor dem Treffen mit David öffnete ich gewohnheitsmäßig Helenas Post. Ich sah, dass einer der Briefe aus Kotka kam, und las ihn, da ich diese Stadt nicht nur mit David, sondern auch mit Anita in Verbindung brachte. Im Allgemeinen reichte ich die sachlichen Briefe an Helena weiter und legte die unflätigen in einer Mappe ab. Meiner Meinung nach war es dumm, jeden Mist zu lesen. Manche Briefe waren so schlimm, dass sie für eine Strafanzeige ausgereicht hätten.
    Der Brief aus Kotka hatte keinen Absender und enthielt nur eine Landkarte ohne Begleitschreiben. Es war keine normale Gelände- oder Straßenkarte, sondern eher eine Art Parzellierungskarte. Als ich sie genauer betrachtete, merkte ich, dass ich die Stelle kannte. Es handelte sich um eine fast unbebaute Landspitze, die weit außerhalb des Stadtzentrums ins Meer ragte. Es war die Halbinsel in Kotka, um die sich Anita bemüht und die der Geschäftsmann Usko Syrjänen gerade gekauft hatte. Warum schickte jemand Helena diese Karte? Als Hinweis darauf, dass bei dem Grundstückskauf etwas faul war?
    Ich wusste, dass es Dinge gab, von denen Helena mir nichts erzählt hatte, aber dieses Spiel beherrschte ich auch. Ich machte eine Kopie von der Karte, bevor ich den Brief zur restlichen Post legte. Am Abend sollten wir zu einer Wahlveranstaltung in Siuntio fahren und anschließend in Kirkkonummi übernachten, also hatte ich keine Gelegenheit, mir die Karte in

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