Die Leibwächterin (German Edition)
getrunken, ich ein Bier, vor allem, wenn der Abend anstrengend gewesen war. Es war eine glückliche Zeit gewesen, doch sie kam nicht zurück.
Ein Klopfzeichen zeigte ein zweites Gespräch an. Bestimmt Helena. Um diese Zeit hatte ich mit ihrem Anruf noch nicht gerechnet, ihre Sitzung sollte noch fast zwei Stunden dauern.
«Ich muss aufhören, meine Arbeitgeberin ruft an.»
«Grüß Helena von mir!»
Helenas Stimme klang nervös. «Bist du schon frei, Hilja?»
«Ja.»
«Gut. Ich habe der Zentrale Bescheid gegeben, dass du heute ins Haus kommst. Saara ist nämlich heute früh auf der Treppe ausgerutscht und hat sich das Bein gebrochen. Ich muss unbedingt einige Unterlagen in Ordnung bringen. Outi hat mir ihre Assistentin geliehen, aber es ist Freitagabend, und sie muss ihre Kinder in der Kita abholen. Kannst du so schnell wie möglich in mein Büro kommen? Nimm dir ein Taxi.»
Ich war zwar frei, aber es gab ein Problem: die Glock in meinem Schulterhalfter. Ich wollte Helena nicht wissen lassen, dass ich sie bei mir trug, denn ich hatte den Verdacht, das würde ihr nicht gefallen.
Ich bestellte ein Taxi, ließ mich zum Bahnhof bringen und bat den Fahrer, auf mich zu warten. Am Kiosk im Bahnhofsgebäude kaufte ich zwei Zeitungen. Es herrschte ziemlicher Betrieb, Leute eilten durch die Halle zu den Bahnsteigen. Die Schließfächer lagen im Untergeschoss und waren kaum vor Blicken geschützt. Es blieb mir keine andere Wahl, als auf die Toilette zu gehen, um die Waffe abzuschnallen. Also zahlte ich den unverschämten Preis von drei Euro, und während ich es so laut wie möglich plätschern ließ, nahm ich das Halfter ab und wickelte es mit der Pistole in die Zeitungen. Ich war mir sicher, dass die Kabinen mit Überwachungskameras ausgestattet waren, auch wenn es gesetzlich verboten war, in Toiletten zu filmen. Angeblich ging es um die Jagd auf Junkies und Drogenhändler, aber ich kannte mich im Wach- und Schließdienst gut genug aus, um zu wissen, dass an den Monitoren nicht selten Perverslinge saßen, die es erregend fanden, Frauen auf dem Klo zu beobachten. Deshalb versuchte ich, meine Aktion möglichst unauffällig durchzuführen, obwohl ich mir sagte, dass nur ein kompletter Idiot nicht begreifen würde, was ich tat.
Ich musste eine Weile suchen, bevor ich ein freies Schließfach entdeckte. Die Zeitungen hatte ich mit einem Zwanziger bezahlt, um Kleingeld zu bekommen. In New York hatte ich gelernt, dass man immer Münzen parat haben musste, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Garantiert wurden auch die Schließfächer von Überwachungskameras erfasst. Die Schmuddelpresse würde saftige Schlagzeilen produzieren, wenn bekannt würde, dass die Leibwächterin einer Abgeordneten im Helsinkier Hauptbahnhof eine Waffe deponiert hatte. Ich ließ die Magazine aus meiner Handtasche in das Fach gleiten. Es brach mir fast das Herz, als ich den Schlüssel herumdrehte. Ich hatte die 9-mm-Glock völlig legal aus den USA eingeführt, wobei die Bürokratie mich allerdings den letzten Nerv gekostet hatte. Das Modell war dasselbe, das auch die finnischen Polizisten und Grenzschützer verwendeten. Dank meines Berufs würde ich mir sicher eine neue Pistole anschaffen können, selbst wenn das Waffengesetz verschärft werden sollte, aber darum ging es gar nicht. Ich wollte mich einfach nicht von meinem zuverlässigen Kumpan trennen, den ich bisher nur zur Abschreckung gebraucht hatte. Er war für mich dasselbe wie für andere ein Handy oder der Lieblingshammer.
Mein Taxifahrer ärgerte sich sichtlich, dass er seine Zigarettenpause beenden musste. Die Adresse, die ich ihm nannte, beeindruckte ihn nicht.
«Hätten Sie das kleine Stück nicht zu Fuß gehen können? Oder haben Sie Taxicoupons, für die wir Steuerzahler blechen müssen? Dafür ist genug Geld da, und für die verdammten Ausländer auch, aber wenn unsereins als Kleinunternehmer versucht, ein bisschen Steuererleichterung zu kriegen, heißt es gleich, das geht nicht, wegen der Staatsverschuldung. Der Benzinpreis schwankt andauernd, sodass man nichts mehr verdient, weil die Fahrpreise reguliert werden wie im Scheißsozialismus, und gleichzeitig fahren die Russen und die Somalis Schwarztaxis und verdienen dreimal so viel wie ich, steuerfrei!»
In New York hatte ich alle möglichen Taxifahrer erlebt. Dieser finnische Kollege war ein waschechter Rassist. Zu meinem Pech musste er auch noch einen Umweg fahren, um zum Eingang des Parlamentsanbaus zu kommen. Allerdings hatte
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