Die Leibwächterin (German Edition)
ich gelernt, in Gesellschaft von Idioten die Ohren auf Durchzug zu stellen. Zen und die Kunst, mit Schwachköpfen umzugehen, einen Ratgeber mit diesem Titel hätte ich gut schreiben können.
Ich gab kein Trinkgeld, bat aber um eine Quittung, auf der der Halt am Bahnhof nicht vermerkt war. Wenn Helena sich über den hohen Preis wunderte, würde ich mir etwas einfallen lassen. Ich konnte zum Beispiel behaupten, ich hätte meine Handschuhe in der Kirche vergessen.
Helena erwartete mich bei den Metalldetektoren im Foyer des Anbaus.
«Das hat aber lange gedauert.»
«Stoßverkehr. Was soll ich denn tun?»
«Einige Auslandsbriefe versandfertig machen. Du musst die Adressen nachprüfen.»
«Briefe? Kennt man im Parlament keine E-Mail?»
«Manche Dinge erledigt man immer noch besser per Post. Komm!»
Ich wusste, dass in Helenas Büro nur deshalb einigermaßen Ordnung herrschte, weil ihre Assistentin Saara Hirvelä sich um die Logistik der Papierstapel kümmerte. Seltsam, dass sich bei einer Vertreterin der Umweltpartei solche Papiermengen häuften. Oder lag es am internen System des Parlaments? Hatte der sparsame Parlamentsvorsitzende die Abgeordneten noch nicht zur Raison gebracht?
Helena bereitete ihr einleitendes Statement für die Fernsehdebatte vor und beantwortete E-Mails. Im Fernsehstudio würde sie in Sicherheit sein, dort spazierte niemand einfach so herein, also konnte ich während der Livesendung meine Waffe holen.
Als ich mit den Briefen fertig war, brachte ich sie zum Pförtner im Erdgeschoss. Ich brauchte einige Zeit, um die richtige Person zu finden. Mein befristeter Passierschein wurde mehrfach genau geprüft, ich musste mir um Helenas Sicherheit offenbar tatsächlich keine Sorgen machen, solange sie sich im Parlamentskomplex aufhielt.
«Im Auftrag der Abgeordneten Lehmusvuo?», fragte der Pförtner. «Das trifft sich gut, gerade ist ein Brief für sie gekommen. Quittieren Sie hier, bitte.»
Ich starrte das Kuvert misstrauisch an. Es war ein Eilbrief, abgestempelt in Moskau. Da der Aufzug ein halboffener Paternoster war, wollte ich den Brief dort nicht öffnen und übergab ihn Helena in ihrem Büro.
«Ein Eilbrief für dich. Kennst du die Absenderin? Ist der Brief harmlos?»
«Zeig mal … Anastasia Butyrskaja … In Ordnung, das ist Nastjas Handschrift! Eine alte Freundin von mir, ich habe sie gebeten, mir eine Essaysammlung zu schicken, die heimlich von Hand zu Hand geht, weil darin die energiepolitische Linie der russischen Regierung kritisiert wird. Hoffentlich ist er das.»
Der Umschlag enthielt tatsächlich das erwartete Buch. Wir verließen das Büro und stiegen kurz vor sieben in die Straßenbahn nach Pasila. Als wir gerade an der Eishalle vorbeifuhren, bekam Helena eine SMS.
«Von Saara! Fünf Wochen krankgeschrieben. Entsetzlich! Bei dem Wahlzirkus und aller anderen Hektik ist es absolut unmöglich, eine Aushilfe zu finden, die wenigstens halbwegs weiß, worum es geht. Alle, die in Frage kommen könnten, sind im Wahlkampf beschäftigt. Es ist zum Heulen!»
Die Straßenbahn bog nach West-Pasila ab und bremste hart, da ein Betrunkener sich nach Kräften bemühte, unter die Räder zu kommen. Helena wäre mit dem Kinn an die Lehne des Vordersitzes geschlagen, wenn ich nicht den Arm dazwischengeschoben hätte. Bisher war mir gar nicht aufgefallen, wie miserabel ihre Reaktionsgeschwindigkeit war, wahrscheinlich weil sie mit dem Mund so schnell reagierte. Wir stiegen aus, bevor die Straßenbahn nach Ost-Pasila weiterfuhr, und gingen über das Gelände vor dem Polizeipräsidium zum Rundfunkgebäude.
«Mensch, warum zerbreche ich mir eigentlich den Kopf, wenn die Lösung meiner Probleme neben mir geht?», rief Helena plötzlich aus. «Du kannst doch als meine Assistentin einspringen! Als Personenschutz brauche ich dich nicht mehr, denn Tiku hat sich nicht mehr gerührt, seit Reiska ihm eine Lektion erteilt hat, und auch sonst bin ich in letzter Zeit nicht mehr bedroht worden. Wir können zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen!»
«Und du sparst Geld, weil der Staat mein Gehalt bezahlt. Leibwächter-Honorare kann man wohl noch nicht von der Steuer absetzen?»
«Personenschutz gehört Gott sei Dank noch nicht zum normalen Lebensstandard», lachte Helena. «Was sagst du, Hilja, bist du einverstanden?»
«Wie hoch ist das Gehalt?», fragte ich, und als Helena eine Summe nannte, die weit unter der lag, die ich normalerweise in Rechnung stellte, zögerte ich eine Weile. Andererseits war ein
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