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Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Titel: Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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dort vorne. Mal klemmte das Fahrwerk. Mal platzte ein Reifen. Mal war die Landepiste voller Schnee, und man raste in den Hangar, obwohl man noch gar nicht dran war. Mal waren die Höhenruder vereist oder sonstwie defekt. Mal, mal, mal. Eine gediegene Landpartie in den Taunus war da viel gescheiter. Wenn man sehr viel Pech hatte, verstauchte man sich beim Wandern den Knöchel, aber damit hatte es sich dann auch schon.
    Obwohl sich Herr Schweitzer am liebsten aus der Gefahrenzone subtrahiert hätte, verheimlichte er Laura gegenüber, die neben ihm stand und aufmerksam die Anzeigentafel studierte, tunlichst sein Unbehagen. Auch mit dem buddhistischen Leitsatz
Ängste seien Fantasien Nichterleuchteter
war seiner Urangst nicht beizukommen.
    Mindestens eine Million Menschen wuselten mit Kofferstapeln bis zur Decke bepackter Wägelchen um ihn herum. Die haben wohl keine Ahnung, dachte Herr Schweitzer, daß sie es nur einer glücklichen Verkettung von Umständen verdankten, sollten sie in ein paar Stunden tatsächlich vor der Gepäckausgabe stehen und nicht im Leichensack liegen. Er war versucht, der kompletten Meute die letzte Ölung zu verpassen. Trotzdem: Friede ihrer Asche. Auf der Tafel leuchteten grüne und gelbe Lämpchen. Grüne für die Maschinen, die sicher gelandet waren, gelbe für die sich noch im Gefahrenbereich Befindlichen. Rote gab’s keine, was vermutlich hieß, Verluste waren in der angegebenen Zeitspanne noch nicht zu beklagen. Aber, wie gesagt, die Gelben konnte es ja noch erwischen.
    Er fuhr heftig zusammen, als Laura ihn ansprach: „Du, Simon, wir müssen zu B2.“
    „Richtig, hab ich auch gerade gelesen“, erwiderte er, gleichwohl es ihm schleierhaft war, was sie damit meinte. B2, war das nicht eine Bundesstraße? Ergeben trottete er ihr nach. Mit auf die Fliesen geheftetem Blick versuchte er sich zu sammeln.
    Als er nach endlosen Kilometern endlich wieder zum Stehen kam und aufblickte, traute er seinen Augen nicht. Eine Gruppe clownesker Gestalten in den gleichen bunten Trikots reckte die Köpfe und versuchte, durch die anderen Wartenden hindurch einen Blick auf Edeltraut und Walter zu erhaschen. Das stand jedenfalls auf dem ein mal anderthalb Meter großen Spruchband, das sie an zwei Stangen in die Höhe hielten.
Willkommen Edeltraut und Walter, Ihr Weltenbummler, Euer Kaninchenzuchtverein Limburg
. Offensichtlich waren sie voller Euphorie. Bestimmt hat das grüne Lämpchen schon geleuchtet.
    Und endlich kam auch Esther durch die Absperrung. Trotz der immensen Anspannung hüpfte sein Herz bei ihrem Anblick. Die beiden Damen knuddelten ausgiebig.
    „Hallo Simon, du bist ja auch mitgekommen.“
    „Ja, kommt, laßt uns schnell von hier verschwinden. Ich habe uns Kuchen besorgt, ganz lecker.“
    „Das ist aber lieb von dir.“
    „So bin ich. Wie war dein Flug?“
    „Der reinste Alptraum, lauter Turbulenzen über dem Atlantik.“
    Genau, korrigierte sich Herr Schweitzer, Naturgewalten hatte ich vorhin vergessen. Als Absturzursache auch unangenehm. Nein danke, die Grenzerfahrung des Todes konnte ihm gestohlen bleiben.
    Dann stiegen sie in die S8, die sie langsam wieder in den sicheren Schoß der Großstadt brachte.
    Je mehr Kuchen in ihm verschwand, desto behaglicher fühlte er sich. Wegen der beiden Mädels hatte er neun Stück besorgt, eine Zahl, die sich prima durch drei teilen ließ. Doch hatten Esther und Laura nur je einen Käse- und zusammen einen Schokoladenkuchen vertilgt. Aber auch die übrigen sechs ließen sich noch dividieren – durch eins. Der Flughafen war nur noch eine blasse Erinnerung und Sachsenhausen vertrautes Terrain.
    Als Laura dann eine Mappe aufschlug, erwachte auch wieder sein Jagdinstinkt. Und was dabei zum Vorschein kam, war beträchtlich. In aller Ruhe lasen Laura und er alles durch, was Esther in einem Geheimfach im Keller in Maine entdeckt hatte.
    Außer dem bereits erhaltenen Brief von H an Miriam hatte es noch zwei Seiten der Deportationsliste vom 20. Oktober 1941 nach Lodz, jenem Transport, von dem nur zwei Menschen lebend zurückgekehrt waren. Der Name Joshua Silbermann war unterstrichen. Die letzte Seite dieser Liste war auch kopiert worden, hatte aber keine nachträglichen Eintragungen aufzuweisen. Seltsam, überlegte Herr Schweitzer, aber vielleicht wollte Esthers Großtante Rahel die Unterschrift dessen identifizieren, der das alles abgesegnet hat. Wie meist in solchen Fällen stand unter der Signatur ein i.A. – im Auftrag. Auch er probierte es. Ja, es

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