Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
Schlagzeilen der letzten Tage durch. Seine Deutschkenntnisse waren inzwischen nahezu perfekt, so daß er sich sehr sicher war, in seinem Gastland fand momentan weder eine Mobilmachung der Streitkräfte statt, noch war aus einer Anstalt ein Irrer wie dieser entflohen, der gerade den Kofferraum öffnete. Aber vielleicht war der Ausbruch ja noch ganz frisch. Und bis zur Niederräder Psychiatrie des Uni-Klinikums waren es auch höchstens vier Kilometer. Vorsichtig verließ er die Deckung der Fahrerkabine. Unauffällig griff er nach dem Pfefferspray, das seit dem letzten Überfall in der Seitenablage steckte.
Herrn Schweitzer war beim Hochwuchten des Rucksacks der Helm auf die Nase gerutscht.
Pushkar deutete dies als Tarnungsversuch. Seine Finger verkrampften sich um die Dose.
Mit dem rechten Zeigefinger, als hätte er einen Stetson auf, rückte Herr Schweitzer den Helm wieder zurecht. „Guten Morgen, der Herr.“
Der Sikh wartete auf die Fortsetzung.
Fahren Sie mich bitte so schnell wie möglich nach Tobruk, habe gerade ein Telegramm von Rommel erhalten, der Fuchs ist dringend auf meine Hilfe angewiesen, ansonsten Monti, die alte Sau, uns ganz schön die Eier unterm Arsch wegballert
. So etwas in der Art erwartete Pushkar.
Herr Schweitzer wurde ungeduldig: „Auf was warten wir noch?“ Doch dann fiel ihm ein, daß sein Kumpel Ferdi, seines Zeichens auch Taxler, momentan leider verhindert, ihm einst erklärt hatte, gerade die Kollegen aus der Gegend um Afghanistan kämen mit Englisch besser klar. „First we drive to the Lerchesbergring and after to the airport, okay? I show you the streets you best go.“
„Nicht nach Tobruk?“
„Wieso Tobruk?“ Und wieso wußte dieser komische Afghane mit seinem gelblichen Turban von Tobruk? Das fiel doch gar nicht in seinen Kulturkreis.
Ein hinter dem Taxi auf die Weiterfahrt wartendes, hupendes Müllauto brachte Pushkar wieder zur Besinnung. „Nein, nein, alles klar. Erst Lerchesbergring, dann Flughafen, alles klar. War gerade ganz woanders.“ Er eilte um die Motorhaube, den Schlag für seinen wunderlichen Gast zu öffnen. „Der Name war Schweitzer, stimmt’s? Nur, damit ich nicht versehentlich den falschen Fahrgast einlade. Ist auch schon vorgekommen, in der Hektik. Man muß da sehr aufpassen, will man Ärger vermeiden.“
„Verstehe. Ja, ich bin der Schweitzer.“
„Dann wollen wir mal.“
Als die Müllabfuhr erneut hupte, fuhr Pushkar mit einem Toi-toi-toi im Sinn los.
Noch nie in ihrem Leben war ihr Schweigen so schwer gefallen. Doch Maria war ein zähes Mädel. So erklärte sie bei Herrn Schweitzers Erscheinen wohlmeinend: „Das mit dem Nackenschutz ist sehr klug. So, wie die Sonne da unten brennt.“
„Ja, gelle. Grüß dich.“ Küßchen.
Seit dem Aufstehen hatte sich Herr Schweitzer gut zugeredet. Ein Draufgänger sei er, Flugzeuge die sicherste Sache der Welt überhaupt, da braucht man doch bloß mal die Statistiken befragen. Und Terroristen seien ja auch bloß Menschen et cetera, perge, perge. Zur psychologischen Absicherung hatte er seinem Morgenkaffee etwas Cognac beigemischt. Oder dem Cognac etwas Koffein.
Pushkar schaute verstohlen in den Rückspiegel. Komisch, dachte er, die Dame sagt ja gar nichts. Bestimmt kennt sie den Verrückten schon länger. Er war heilfroh, noch einen weiblichen Fahrgast an Bord zu haben. Pärchen begingen in der Regel kein Kidnapping.
„Wir fliegen nämlich nach Afrika“, fühlte sich Herr Schweitzer bemüßigt, dem Fahrer darzulegen, warum er rumlief, wie er rumlief.
„Ach so. Schönes Land. War ich noch nie.“
„Ist für mich auch das erste Mal.“ Er nahm Marias Hand. Sie brauche keine Angst zu haben, er sei ja bei ihr.
Als man sich einige Zeit später in die lange Schlange der Gepäckaufgabe einreihte, verdünnisierte sich Herr Schweitzer mit den Worten: „Ich muß mal.“
Natürlich mußte er mal. Dringend sogar. Sich seinen vorbereiteten Joint reinzwitschern. Dazu suchte er die Toilette auf. Nach einem exakt berechneten Zeitplan sollte die volle Wirkung auf der Gangway eintreten. Auf keinen Fall später. Doch hatte er nicht mit der hohen Frequenz von WC-Besuchern gerechnet. Für feine Nasen war es nämlich kein Problem, den Geruch von feinstem Gras der Marke holländische Gewächshauszucht unter vielen anderen Aromen zu erschnüffeln. Und da fielen ihm urplötzlich noch des Zolls Spürhunde ein, von denen es hier in der Gegend nur so wimmeln mußte. Fast wäre ihm da ein unverzeihlicher Fauxpas
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