Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
ohne Stolz. „Dort gibt’s auch englischsprachige Zeitungen, zum Beispiel die Jerusalem Post, weißt du.“ Herr Schweitzer hatte sich schlau gemacht. Nichts sollte dem Zufall überlassen bleiben.
Laura waren seine frappierend miserablen Englischkenntnisse wohlbekannt. Das geht vorbei, redete sie sich ein. Bestimmt ist das nur so eine Phase von ihm. Erst letztens hatte sie
Jenseits von Afrika
im Fernsehen gesehen. Sie malte sich aus, wie Simon in die Rolle von Robert Redford schlüpfte. Schnell drehte sie sich um und gab vor, etwas im Kühlschrank zu suchen, damit er ihr breites Grinsen nicht bemerkte, das drauf und dran war zu eskalieren.
„Außerdem kommt doch Maria mit, die kann Englisch.“
Über Maria wußte Laura, daß sie viel in der Weltgeschichte herumreiste. „War deine Freundin dabei, als du dir die Sachen … die Ausrüstung besorgt hast?“
„Warum sollte sie? Ich bin doch kein kleiner Bub mehr.“
Hierzu fielen Laura Dutzende von möglichen Erwiderungen ein, die sie sich allesamt versagte. Sie hatte sich wieder unter Kontrolle und drehte sich um: „Steht dir ausgezeichnet, was du da anhast.“
„Findest du es nicht ein wenig … wie soll ich sagen … aufgemotzt?“
„Oh, keineswegs. Man kann heutzutage nicht vorsichtig genug sein.“
„Das hab ich mir auch gedacht.“
„Und wenn’s überhaupt noch irgendwo Nilpferde hat, dann am Nil. Oder für was brauchst du so ein großes Messer?“
„Das ist ein Allroundmesser. Zur Not läßt sich damit auch ein Pfad durch den Dschungel schlagen. Oder Büchsen öffnen.“
„Dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Was Maria wohl sagt, wenn sie dich so sieht?“
„Soll eine Überraschung werden. Nichts verraten. Psst.“
„Natürlichnicht, großes Pfadfinderehrenwort. Die Überraschung wird dir gelingen, das kannst du mir glauben.“
„Guck, und von dort sind es nur ein paar läppische Stunden mit dem Bus bis zur Oase. Natürlich könnten wir uns Luxor und das Tal der Könige auch vorher ansehen. Pyramiden und Sphinx sind auf alle Fälle ein Muß, auch wenn sich dort Scharen von Touristen gegenseitig auf die Füße treten. Wahlweise könnten wir auch mit dem Zug nach Assuan runter, die Strecke soll sehr schön sein. Eine Dhaufahrt auf dem Nil darf man sich auch nicht entgehen lassen.“
So plapperte Herr Schweitzer schon seit zwanzig Minuten. Es war der Abend vor dem Abflug. Maria und er saßen in der Buchscheer, einer Apfelweinschenke nahe den Kleingärten der Louisa. Auf dem Tisch ausgebreitet lagen mehrere Landkarten von Israel und Ägypten und insgesamt sechs verschiedene Reiseführer. Je drei pro Land. Sicher ist sicher. Herr Schweitzer sprühte vor überschäumender Energie. In Anbetracht dessen war auch Maria guter Dinge. Trotz Flugangst freute sich Herr Schweitzer gar sehr auf seine erste Auslandsreise. Mit der Bedienungsanleitung seines nagelneuen Fotoapparates war er noch nicht ganz durch, doch hoffte er, dies bis zum ersten Gebrauch geschafft zu haben, das Zeug dazu hatte er.
Just als er seiner Liebsten erklären wollte, an welcher Stelle er im Toten Meer zu baden gedachte, wurde das Essen serviert. Herr Schweitzer hatte sich vorgenommen, heute nochmals richtig reinzuhauen, denn gerade was das Kulinarische anging, geizten die Reiseführer mit Informationen. Dabei wollte er speziell auf diesem Gebiet allerhand in Erfahrung bringen, auch deshalb, um seine einheimischen Kochkünste um das ein oder andere Schmankerl zu bereichern, denn das Reisen bildet ja bekanntlich. So eine Gelegenheit darf man sich nicht entgehen lassen.
Als Herr Schweitzer mit seiner Schlachtplatte fertig war, fragte er Maria: „Du hast ja gar nichts gesagt. Bist du mit der Route denn einverstanden?“
„Du hast dich ja mächtig ins Zeug gelegt. Bei einem so gewissenhaften Reiseleiter, was sollte ich da widersprechen? Aber meinst du nicht, das ist ein bißchen viel Programm für zwei Wochen?“
„Quatsch. In Tel Aviv brauche ich maximal drei Tage. Und am letzten Abend könnten wir schon zum See Genezareth hoch. Dort gibt’s astreinen Fisch. Der ist weltberühmt.“
Maria wußte, sie mußte hier mit äußerster Raffinesse vorgehen, wenn sie ihm das Reisen auf Dauer schmackhaft machen wollte. So wagte sie nur einen zaghaften Einwurf: „Aber einen halben Tag zum Shoppen bräuchte ich schon.“
„Ich doch auch, ich doch auch. Ich will jede Menge Gewürze besorgen. Da unten hat’s legendäre Märkte, auf denen gibt’s Safran und Curry und vieles
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