Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
Hersteller irgendwo versteckt angebracht war und ihn als jemanden entlarvte, der im besagten Sprachraum heimisch war. Aber die Hose war neutral. Und was er wollte, wußte er im Moment auch nicht so richtig. Das heißt, er wußte es schon, doch der Anfang bereitete ihm Sorgen. Sind Sie Hermann Bauer? Nein, so ging das nicht, der Alte würde sich einfach umdrehen. Doch reden mußte er, und zwar bald, sonst war die Situation nicht mehr zu halten, sein Gegenüber würde in ihm einen Schwachsinnigen sehen und wieder im Haus verschwinden.
Plötzlich, wie aus dem Nichts, sprach eine innere Stimme zu ihm, die er auch sogleich und ohne zu überlegen nach außen transportierte: „Kann ich bitte mit Miriam Silbermann sprechen. Mein Name ist Simon Schweitzer. Ich bin ein Freund ihrer Enkelin Esther.“
Das war gut. Das war klasse. Das war allererste Sahne, Herr Schweitzer, sagte sich Herr Schweitzer, denn damit ließ er erstens offen, ob er Esther auch als des Alten Enkelin betrachtet oder nur Miriam als Großelternteil meinte. Und zweitens hatte er sich doch ausschließlich darauf eingestellt, mit der Frau zu reden.
„Nicht da. Einkaufen. Kommt später.“ Für den Greis war die Sache damit erledigt. Er machte kehrt und humpelte zurück. An der Hauswand lehnten seine Krücken, die er sich zitternd unter die Achseln schob. Für Herrn Schweitzer hatte er keinen Blick mehr übrig. Leise schloß er die Tür.
Der Privatdetektiv gierte nach einem Joint. Nicht so gut gelaufen, lautete sein euphemistisches Fazit der Aktion. Ob der Videoverleih an der Ecke vielleicht eine Lizenz für Whiskeyausschank besaß? Wohl kaum. Auch wenn andere Länder andere Sitten hervorbrachten, an solch göttliche Fügungen glaubte er einfach nicht. Wenigstens ein Taxi könnte vorbeifahren und ihn auflesen. In Filmen passierte so was andauernd. Aber die arbeiten ja auch mit Drehbuch. Im Gegensatz zu ihm. Er kam sich wie ein lonesome Loser vor. Herr Schweitzer besetzte seine Rolle mit Charles Bronson.
Sollte er warten oder später wiederkommen? Anrufen ginge auch, die Telefonnummer hatte er ja. Herr Schweitzer entschied sich für die übliche Methode und hielt nach einem schattigen Plätzchen Ausschau. Leider gab es in der näheren Umgebung keines, und das Thermometer kletterte und kletterte. Wenn er wenigstens ein Taschentuch eingesteckt hätte, daraus ließe sich ein prächtiges Kopftuch knoten. Und was hätte er nicht alles für einen tüchtigen Schluck Wasser gegeben? Bedauerlicherweise befand sich nebst Tropenhelm auch die Feldflasche im Hotel. Die ersten Schweißtropfen färbten sein Hemd dunkel. Da habe ich mir alles zugelegt, dachte Herr Schweitzer, was nötig wäre, um sich im Handstreich die größten Wüsten untertan zu machen, und dennoch stehe ich hier völlig bedeppert und komme vor Durst und Hitze um. Erschöpft ließ er sich an der unverputzten Backsteinmauer des Silbermannschen Grundstücks nieder. Weit und breit war kein menschliches Wesen zu sehen. Nicht einmal ein verwahrloster Straßenköter ließ sich blicken, der ihm hätte Gesellschaft und Trost spenden können. Er dachte an Esther, vor der er gerne als strahlender Held, der jedes noch so knifflige Rätsel löste, dagestanden hätte. Großer Seufzer.
Eine halbe Stunde später schaute er apathisch einer dreckigen Zeitungsseite der Zman Tel Aviv nach, die eine kaum merkliche Windbö den Rinnstein entlang trieb. Als säße Herr Schweitzer auf glühenden Kohlen, sprang er auf und hechtete ihr nach. Er befreite das Papier vom gröbsten Schmutz und bastelte sich daraus ein Schiffchen. Zwar lag die Kindheit schon ein paar Jährchen hinter ihm, doch noch immer saßen die Handgriffe. Das Schiffchen gelang ihm nahezu perfekt. Er setzte es auf. Und somit war auch das Bild eines auf den Hund gekommenen Vagabunden nahezu perfekt. Frau Silbermann ist aber ganz schön lange einkaufen, dachte Herr Schweitzer noch, bevor er, wieder an die Ziegelsteine gelehnt, einschlief.
Das Geklimper einer fallenden Münze weckte ihn. Da er nicht sehr tief geschlafen hatte, fand er auch sofort die Orientierung wieder. Er saß im Schatten, weil eine Frau sehr dicht vor ihm stand und die Sonne verdeckte. Offenbar hielt sie ihn für einen Bettler.
Geschwind erhob er sich und nahm sein Schiffchen ab. „Sorry, I look and wait for Miss Silbermann.“
„It’s me, aber Sie können ruhig deutsch mit mir reden. Ich dachte, Sie wären ein Gammler. Ihrem Englisch merkt man an, daß Sie aus dem Hessenland kommen.
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