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Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Titel: Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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schicke Sonnenbrille mit orangenem Gestell und ebenso getönten Gläsern ab. Junge Menschen flanierten unbeschwert an ihnen vorbei. Er war in seinem Element. Immer horche, immer gucke. Mit dem Verstehen haperte es zwar arg, er glaubte sogar, osteuropäische Sprachfetzen zu erkennen, doch das Gucken war in Erez Israel ein wahrer Genuß. Sunniten, Drusen, Tscherkessen und auch dunkelhäutige Äthiopier jüdischen Glaubens bildeten ein kontrastreiches Bild zu den nach westlicher Mode gekleideten Jugendlichen und den Geschäftsleuten in ihren scheinbar auf der ganzen Welt identischen Anzügen. Als zwei Geistliche in Schwarz mit ihren traditionellen Schäfchenlocken am Nebentisch Platz nahmen, konnte er seine Augen kaum abwenden.
    Auf dem Rückweg dirigierte er Maria noch auf den hundertvierzig Meter hohen Shalom-Tower, von dessen Plattform man einen bemerkenswerten Rundumblick genoß. Herrn Schweitzers Fotoapparat hörte gar nicht mehr zu klicken auf. Stell dich mal da hin, stell dich mal dort hin. Belustigt folgte Maria den Regieanweisungen.
    Es dämmerte schon, als sie wieder ihr Hotel erreichten. Herr Schweitzer entledigte sich seiner durchschwitzten Uniform. Zu seinem Leidwesen war ihm aufgefallen, daß die einzigen, die in Khaki rumliefen, Touristen wie er waren. Er hatte fest damit gerechnet, zumindest äußerlich als einheimischer Eingeborener durchzugehen. Wenn er es recht bedachte, und das tat er gerade, wäre er, hätte ihn auch noch der Tropenhelm geziert, der Karikatur eines Pauschaltouristen sehr nahe gekommen. Mit seiner ausgebeulten Jeans und dem schweinchenrosa Hemd, das er nun zuknöpfte, wäre er zwar auch von jedem Laufsteg der Welt verscheucht worden, aber Maria war dennoch froh, als er sich umzog.
    Auf die Frage, wo der Herr Reiseleiter zu dinieren gedachte, sagte Herr Schweitzer: „Jaffa, ist doch klar wie Kloßbrühe.“
    „Klar, dumme Frage von mir.“
    Yafó, aller Welt auch unter Jaffa bekannt, ist der älteste Stadtteil Tel Avivs und nicht nur wegen der exportierten Orangen berühmt. Auch der Prophet Jonas bestieg hier einst ein Schiff, um hernach im Magen eines Wals zu landen. In seiner wechselvollen Geschichte wurde es von Römern, Griechen, Kreuzfahrern, Sarazenen und Türken erobert, die allesamt ihre Spuren in der Architektur hinterlassen hatten. Auf dem vorgelagerten Felsen hatte Andromeda ihrer Befreiung durch den Helden Hermes geharrt.
    Maria dachte schon, ihr ganz persönlicher Held käme aus dem Fotografieren gar nicht mehr raus. Ihr Magen hing bereits in den Kniekehlen, als Herr Schweitzer sich endlich anschickte, ein auf antik getrimmtes Restaurant in einer engen, kopfsteingepflasterten Seitengasse anzusteuern. Wegen der häufig in überfüllten Bussen lauernden Selbstmordattentäter hatte er darauf bestanden, für die fünf Kilometer hierher ein Taxi zu besteigen. Es wäre ja auch zu doof gewesen, erst eine Flugreise unbeschadet zu überstehen, nur um dann in einem Verkehrsmittel der unteren Kategorie abermals, aber anders in die Luft zu fliegen.
    Mit ausgesuchter Höflichkeit bedient wurden sie von einem Kellner in folkloristischer Phantasietracht. Es war ein arabisches Restaurant. Herr Schweitzer freute sich auf die kulinarische Vielfalt. Außerdem war ihm koscheres Essen sowieso und seit jeher nicht ganz koscher.
    Der aus gemahlenen Kichererbsen, einer Sesampaste namens Tahina, Zitronensaft, Knoblauch und Kümmel zubereitete Humus als Hors d’oeuvre erfüllte seine Erwartungen über Gebühr.
    „Aah, a life how cows in India“, lautete sein Kommentar, als das vom Herrn Ober wärmstens empfohlene Schischlikim aufgetischt wurde.
    Obwohl schon rundum satt, und „wenn ich schon mal hier bin“, fand in seinem auf Ausdehnung trainierten Bauch noch eine zuckersüße Baklava Platz, nach der man in Sachsenhäuser Apfelweinwirtschaften vergeblich Ausschau hält. Ein starker türkischer Mokka rundete den Abend ab.
    Später schlug Maria noch einen Verdauungsspaziergang an der Uferpromenade vor, doch Herr Schweitzer war fix und alle. Bereits im Taxi fielen ihm die Augen zu. Der erlebnisreiche Tag forderte seinen Tribut. Sexspiele fanden keine mehr statt. Kaum daß er seinen Kopf aufs Kissen bettete, schlief er bereits wie ein Stein. Pittoreske Straßenschilder säumten seine Träume.
    Jemand hatte ihn aufs Bett genagelt. Es konnte gar nicht anders sein. Ein Straßenlärm, wie ihn Frankfurt nicht mal zu Messezeiten zustande brachte, drang gemeinsam mit einem lauen mediterranen Lüftchen

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