Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
Geschehnisse des Tages nachdenken. Inzwischen war er mit sich darüber einig, in Esther keinesfalls verknallt zu sein, wie ihm Frau Silbermann unterstellte. Über alles weitere allerdings herrschte nach wie vor Unklarheit. Am einfachsten wäre es natürlich gewesen, den morgigen Abend abzuwarten und zu hoffen, Miriam Silbermann würde ihm die gewünschten Informationen auf dem Silbertablett servieren. Wenn sie denn kam. Doch so sehr Herr Schweitzer sich auch bemühte, immer wieder fanden seine Gedanken den Weg zurück. Und auch kein noch so enganliegendes Bikinioberteil konnte ihn ablenken.
Gedankenverloren nippte er an seinem Zuckerrohrcocktail, als sich die Sonne abrupt verdunkelte. Es war Maria, die von hinten mit ihren Händen seine Augen bedeckte. „Brigitte Bardot?“
Fingernägel gruben sich in sein Gesicht.
„Hmm, Claudia Schiffer?“
Fingernägel gruben sich noch fester in sein Gesicht.
„Oh nein, dann vielleicht Maria von der Heide. Aber das wage ich nicht zu hoffen. So viel Himmelsglück kann einem Simon Schweitzer doch gar nicht beschieden sein. Oder?“
„Womit du im Prinzip recht hast. Rate mal, was ich mir gekauft habe?“
Herr Schweitzer überlegte, wie oft einem Mann diese Frage im Leben gestellt wurde. „Ein Paar Schuhe. Nein, warte noch, zwei Paar Schuhe.“
„Falsch.“
„Falsch? Aber hier wimmelt’s doch von Schuhgeschäften.“
„Trotzdem falsch. Weiter.“
„Dann vielleicht einen arabischen Rock mit ganz vielen Perlen und Pailletten?“
„Auch falsch. Weiter.“
„Wie oft darf ich noch?“
„Bis du’s hast.“
„Och nee, können wir denn unseren Abflugtermin verschieben?“
„Lenk nicht ab.“
„Okay. Dann ein Negligé, schwarz, mit ganz wenig Stoff.“
Abrupt erhellte sich die Sonne. „Woher wußtest du das? Du hast mir nachspioniert, du Gauner.“
„Privatdetektiv. Das weißt du doch. Mit der Zeit bleibt mir kein Geheimnis verborgen.“
„Apropos Detektiv, wie war’s bei den Silbermanns?“
Die Sache mit der Ohnmacht mußte außen vor bleiben. Die mit der Miliz logischerweise auch. „Du kennst mich doch. Wenn ich mich erst mal so richtig in einen Fall verbissen habe … Null Problemo, ganz schön in die Mangel hab ich die beiden genommen. Aber hallo die Quietsche-Entchen. Wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, dann können wir übermorgen weiterfahren. Bin morgen noch mal mit der Frau verabredet. Ich denke, da werde ich dann die letzten verbleibenden Infos aus ihr rausquetschen. Aber so einfach wird das natürlich nicht. Ganz viel Einfühlungsvermögen wird da gefragt sein, schließlich ist die Dame ja nicht mehr die Jüngste. Doch du kennst mich, wenn einer den Bogen raus hat, dann der Schweitzer-Simon. Und falls Miriam Silbermann nicht mit der Sprache rausrücken will, dann halt nicht. Dann bleiben uns noch jede Menge erholsame Tage.“
„Ob die auch für dich erholsam werden …“ Demonstrativ schwenkte Maria ihre Einkaufstasche.
Der lange Arm der Geschichte hatte Herrn Schweitzer miserabel schlafen lassen. Immer wieder war vor seinem inneren Auge eine Trümmerlandschaft erschienen, aus der die ausgebrannte Ruine des Frankfurter Doms wie ein mahnender Finger emporragte. Gesichter ausgemergelter und in Lumpen gehüllter Menschen, die zwischen Feuersbrünsten umherirrten, ergänzten die Collage und hinterließen ein unbehagliches Gefühl, das sich durch seinen ganzen Körper zog, und ein Gefühl der absoluten Machtlosigkeit hinterließ.
Instinktiv, wie es bei Menschen, die sich nahestehen, oft zu beobachten ist, hatte Maria seine Gefühle erraten und Herrn Schweitzer alleine im Foyer des Sheratons zurückgelassen. Sie hatte sich auf ihr Zimmer zurückgezogen und las. Da Miriam Silbermann nicht gesagt hatte, wann genau sie kommen wollte, saß er bereits seit dem frühen Abend auf einer braunen Ledercouch und behielt den Eingang im Auge. Bei jedem ankommenden Taxi stieg seine Erwartungshaltung. Doch bislang, die Uhr über der Rezeption zeigte 20 Uhr 30, war er immer wieder enttäuscht worden. Herr Schweitzer gab sich noch eine halbe Stunde, dann würde er die Akten Joshua Silbermann und Claude Heidenbrück für immer schließen. Er gestand sich, daß dieser Gedanke durchaus auch seine angenehmen Seiten hatte. Er würde sich wieder auf die wesentlichen Dinge des Lebens konzentrieren können. Und mitnichten spielten darin die Greueltaten einer längst vergangenen Epoche eine Rolle. Sollte der Lebensmittelkonzern Heidenbrück und seine
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