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Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Titel: Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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nicht, wie er reagieren sollte. Herr Schweitzer rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her. Eine Minute verstrich. Dann noch eine. Der Impuls, Frau Silbermann in den Arm zu nehmen, wurde übermächtig.
    Doch dann, als er schon aufgestanden war, um zur Couch zu gehen, sprach sie weiter: „Rahel hatte den Beweis, den sie brauchte, um Heidenbrück vor Gericht zu bringen.“
    „Hatte?“
    „Ja. Ich habe ihn vernichtet.“
    Herr Schweitzer wurde von dieser Wendung völlig überrascht. Also doch. Deswegen waren all diese Unterlagen in Esthers Schuhkarton. Nicht um Hermann Bauer zur Verantwortung zu ziehen, wie er vermutet hatte, sondern um Claude Heidenbrück ging es ihr. „Warum?“
    „Ich hatte Angst um Hermann.“
    „Dieser Beweis, wie Sie ihn nennen, belastete auch Herrn Bauer?“
    „Nein.“
    Herr Schweitzer war restlos irritiert. Wollte Frau Silbermann diesen Kriegsverbrecher schützen? Existierte dieser Beweis tatsächlich? Dann läge Melibocus mit seiner Vermutung falsch, Claude Heidenbrück selbst habe alle Unterlagen vernichten lassen. „Dann verstehe ich nicht, warum …“
    „Ich war in Panik. Ich wollte Hermann beschützen. Ich dachte, wenn Heidenbrück vor Gericht kommt, dann fliegt auch Hermanns falsche Identität auf. Mir war nicht klar, daß Heidenbrück gar nicht wissen konnte, daß Hermann nach Kriegsende mit mir nach Israel geflüchtet war. Es war die reinste Paranoia von mir. Und als Rahel mir den Brief zeigte, hat alles bei mir ausgesetzt. Ich sehe es noch vor mir, meine Schwester ging nur kurz auf Toilette, und ich habe ihn verbrannt. Seitdem haßte mich Rahel. Ich konnte es ihr nicht mal übelnehmen. Ganz im Gegenteil, ich hasse mich selbst dafür.“
    „Woher hatte ihre Schwester diesen Brief?“
    „Ich weiß es nicht. Rahel war anders als ich. Sie wollte Rache. Sie hätten sie sehen sollen, als sie hier war. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte man alle, die je eine Nazi-Uniform trugen, standrechtlich erschossen.“
    „Aber trotzdem ist sie nach Deutschland zurückgekehrt, um die Verantwortung für Esther zu übernehmen.“
    „Sie wollte nicht, daß meine Enkelin mit Hermanns und meiner Lebenslüge in Berührung kommt. Nur deswegen ging sie nach Deutschland zurück. Es muß eine große Überwindung für sie gewesen sein.“
    „Warum hat sie Hermann nicht verraten, wenn ihr Haß doch so groß war?“
    „Das wollte sie anfangs auch. Ich habe sie angefleht, es nicht zu tun, habe ihr alles erklärt. Wie Hermann meinen Mann beschützte, so lange es ging. Wie er mir das Leben gerettet hat und alles andere. Zum Schluß konnte ich sie überzeugen. Sie sagte, ich solle das mit mir ausmachen. Außerdem hätte sie ja auch ihrer Nichte Petra damit geschadet. Petra hat Hermann immer als ihren Vater betrachtet. Sie hat nie erfahren, wer wirklich ihr Erzeuger war. Vielleicht ahnte sie, daß etwas nicht stimmte, sie war ja damals schon in einem Alter, an das man sich zurückerinnern konnte. Aber gefragt hat sie nie danach.“
    „Aber Esther hat gefragt.“
    „Ja. Sie war ja lange genug bei Rahel. Die ein oder andere Bemerkung wird da schon gefallen sein, die sie stutzig gemacht hat.“
    „Davon hat sie mir nichts erzählt. Ich glaube eher, sie hat sich gewundert, daß Sie sie nach dem Tod ihrer Eltern nicht nach Tel Aviv geholt haben.“
    „Darf ich rauchen?“
    „Äh, natürlich.“ Herr Schweitzer schaute sich nach einem Aschenbecher um und fand ihn auf dem kleinen Schreibtisch neben der Badezimmertür. „Bitte. Möchten Sie auch noch etwas Orangensaft?“
    Die Bemerkung löste bei Frau Silbermann ein erstes Lächeln aus. „Gerne. Aber Sie sind es, der viel trinken muß. Ich bin das Klima gewöhnt.“ Der Zug an der Zigarette ließ sie kurz husten. Sie nahm den Gesprächsfaden wieder auf: „Und das mit Esther war auch ein großer Fehler von mir. Ich hätte ihr damals einfach alles erzählen sollen. Bestimmt hätte sie es verstanden. Sie wollte nach dem Tod ihrer Eltern unbedingt nach Tel Aviv. Richtig gut gefallen hatte es ihr hier.“
    Herr Schweitzer rief sich Esther in Erinnerung. Er hörte ihr unbeschwertes Lachen. „Ja, das hat sie mir gesagt. Ich glaube, sie liebt Sie. Vielleicht sollten Sie ihr die Wahrheit sagen. Ich bin mir sicher, sie wird es Ihnen verzeihen, daß Hermann Bauer nicht ihr richtiger Großvater ist.“
    „Das hat sie bereits.“
    „Wie …?“ Herr Schweitzer fühlt sich von den Ereignissen überrumpelt. Was war ihm da jetzt schon wieder

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