Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
ihr zu teilen. Nicht schlecht waren auch die Longdrinks. Erst als des Barkeepers Ermüdungserscheinungen nicht mehr zu übersehen waren, gingen sie aufs Zimmer.
Glückshormone ließen Herrn Schweitzer früh erwachen. Das Leben wartete darauf, gelebt zu werden. Er drängte zum Aufbruch.
Die nächsten zehn Tage präsentierte er sich Maria als ein nimmermüder, bildungshungriger Weltenbummler, der nur selten an Sachsenhausen dachte. Vielleicht steckte das ja auch als Absicht hinter seinem Aktionismus. Keine noch so rastlose Sonne, kein noch so gewaltiger Fußmarsch setzten Herrn Schweitzer außer Gefecht.
In Jerusalem hinterließen die schwarzgewandeten Orthodoxen einen bleibenden Eindruck in ihm. Wie bei Großstadttauben auf Speed zuckten ihre Köpfe gen Klagemauer.
Jericho war eine enttäuschende Zwischenstation. Die Trompeten haben ganze Arbeit geleistet, bemerkte er zu Maria, und: „Das sieht ja hier aus wie im Sandkasten.“
Zum Desaster geriet ein Badenachmittag am Toten Meer. Herr Schweitzer hatte wohl an den durch den immensen Salzgehalt bedingten Auftrieb des menschlichen Körpers, nicht aber daran gedacht, daß Salz in den Augen brennt. Nach dem Kopfsprung heulte er stundenlang und rieb sich die Augen wund.
Als ein Ort des Verweilens erwies sich Tiberias am See Genezareth. Hier erkämpfte sich Herr Schweitzer die Achtung der schnuckeligen Bedienung, als er zwei Portionen des leckeren und legendären St. Peters-Fischs verdrückte. Für eine weitere wohlige Körperbefindlichkeit sorgten die heißen Quellen. Hier war es auch, wo er endgültig zur Einsicht gelangte, seine Ausrüstung sei des Guten zuviel. Ein großes Paket machte sich Richtung Frankfurt auf. Und Herr Schweitzer reiste fortan ohne Buschmesser, Kompaß, Tropenhelm, Stabtaschenlampe und ähnlichem Schnickschnack. Dafür war er auch nicht mehr Mittelpunkt ganzer Kinderscharen.
Auf ägyptischer Seite wurde sein restliches Gepäck gründlich durchsucht und der Paß eingehend studiert. Simon Schweitzer war darob nicht sonderlich überrascht, schließlich hatte sein Name einen jüdischen Klang, und als Touristen verkleidete Spione dürften auch in Ägypten höchst unwillkommen sein. Wegen der daraus resultierenden Wartezeit war der Busfahrer nicht mehr Herrn Schweitzers Freund. Vorwurfsvoll schaute er ihn unter buschigen Augenbrauen an.
Einem kontemplativen Abend im Katharinenkloster auf dem Sinai folgte nach nur drei Stunden Schlaf ein mörderischer Fußmarsch auf den Berg Moses. Der Sonnenaufgang gehörte zwar zu den eindrucksvollsten, die Maria und Herr Schweitzer je genossen haben, dafür spuckte er auf dem Rückweg Gift und Galle, weil er sich mit dem Fuß in einer Wurzel verfing und umknickte und Maria ihn an besonders steilen Stellen stützen mußte.
In Luxor kaufte er von seinem sauer Ersparten bei einem besonders vertrauenserweckenden Straßenhändler einen Palästinenserschal, der ein paar Meter weiter in einem offiziellen Laden für ein Drittel des Preises und in besserer Qualität angeboten wurde. „Alles Verbrecher“, fluchte Herr Schweitzer, als er das Preisschild entdeckte. Er stürzte auf die Straße zurück, doch der gemeine Mistkerl von Straßenhändler hatte sich bereits in Luft aufgelöst. Maria spendierte ihm als Trost eine Dhaufahrt auf dem Nil. Die war lustig. Zumindest für die vier zartgliedrigen Koreanerinnen, die als Anti-Kentermaßnahme vom Bootsführer auf die rechte Dhauhälfte beordert wurden, während Maria in der Mitte und er als Gegengewicht links Platz nehmen mußten. Unentwegt kicherten die blöden Gänse.
Das Tal der Könige war fest in militärischer Hand. Säbelschwingende Gotteskrieger, die es auf Touristenhälse abgesehen hatten, ließen sich nicht blicken. Eine Kalesh brachte sie in die Stadt zurück.
Der Morgen in Assuan erschütterte Herrn Schweitzers Toleranz in seinen Grundfesten. Um fünf war die Nacht zu Ende. Über defekte Mega-Megaphone rief ein offensichtlich bestens aufgelegter Muezzin direkt neben dem Hotel die Gläubigen zum Gebet. Doch Herr Schweitzer fiel vom Glauben ab, stand fluchend auf und schwor sich, von Stund an jede Unterschriftenaktion gegen den Bau von Moscheen in Deutschland zu unterstützen. „Kein Wunder, daß Araber immer so kriegerisch drauf sind, die schlafen zu wenig“, erklärte er Maria.
Rundum gelungen hingegen war die Reise zur Oase Siwa. Ihr Hotel lag etwas außerhalb, und die göttliche Stille einer Wüstennacht schärfte ihre Sinne. Drei geschlagene Stunden
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