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Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Titel: Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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entgangen?
    „Guter Mann …“
    Guter Mann hörte er gar nicht so gerne, Herr Schweitzer fühlte sich dabei immer wie ein Kleinkind.
    „Sie glauben doch nicht allen Ernstes, ich breite vor Ihnen, einem Fremden, meine intimsten Geheimnisse aus, und lasse gleichzeitig meine Enkelin darüber im unklaren. Nein, ich habe mit Esther telefoniert, bevor ich mich zu Ihnen aufmachte. Deswegen bin ich auch erst so spät gekommen. Das Gespräch hat sehr lange gedauert. Die Gebühren dürften meine Monatsrente überstiegen haben.“ Sie drückte die Zigarette aus.
    „Und?“
    „Und was? Wie Esther es aufgenommen hat?“
    „Ja.“
    „So, wie Sie vermutet haben. Sobald Esther kann, kommt sie uns besuchen.“
    Schade, dachte Herr Schweitzer, die lückenlose Berichterstattung hätte er gerne selbst übernommen. Aber natürlich war es besser, wenn Familienangelegenheiten intern besprochen wurden. Eine letzte Frage hatte er noch: „Was war das für ein Brief, der Claude Heidenbrück belastete?“
    „Kein Brief. Eine offizielle Schriftsache, mit Eingangsstempel und so.“
    Es sah so aus, als wolle Frau Silbermann endgültig reinen Tisch machen. Sie wirkte vollkommen entspannt. Herr Schweitzer ging davon aus, daß sie Esther gegenüber auch diesen Aspekt erwähnt hatte.
    „Es war der Plan für die erste große Judendeportation aus Frankfurt. Welche Familie wo wohnte. Wie viele Familienmitglieder verhaftet werden sollten. Selbst der Weg zur Großmarkthalle war eingezeichnet. Gerichtet war das Papier an Heinrich Baab. Sagt Ihnen der Name etwas?“
    „Ja, Judenreferent der Stadt Frankfurt. Einer der ganz wenigen, die für ihre Taten büßen mußten. Begnadigt 1972.“ Herr Schweitzer hatte es in einem der Bücher gelesen, die er sich beim Naacher gekauft hatte.
    „Oh, nicht schlecht. Ich sehe, Sie haben sich gewissenhaft vorbereitet. Sie sollten Detektiv werden.“
    Herr Schweitzer schmunzelte.
    „Warum schmunzeln Sie?“
    „Ach, nur so. Und der Absender dieses Schreibens an Heinrich Baab war ein gewisser Claude Heidenbrück?“
    „Genau. Claude Heidenbrück war für die Koordination verantwortlich. Die Unterschrift war so deutlich, als seien es Druckbuchstaben. Es war das Original, das ich verbrannt habe. Kopien davon existieren nicht. Und jetzt können Sie mich zum Teufel wünschen, wenn Sie wollen.“ Mit einem Seufzer lehnte sich Frau Silbermann zurück und streckt ihre Beine aus.
    „Warum sollte ich? Sie haben im Leben viel einstecken müssen. Und wenn ich in den letzten Wochen eines gelernt habe, dann ist es, daß Leute, die den Krieg nicht mitgemacht haben, sich keine Vorstellungen davon machen können, wie es wirklich war. Und da gehöre ich ja wohl dazu. Sie haben mir sehr geholfen. Ich denke, ein bißchen habe ich dazugelernt. Wahrscheinlich wird es noch Tage dauern, bis ich alles, was Sie mir heute erzählt haben, auf die Reihe bringe. Und was Heidenbrück angeht …“
    „Der ist tot.“
    „Ich weiß, aber sein Sohn ist ein ebensolches Nazi-Arschloch. Der Apfel fällt halt nicht weit vom Stamm. Mir ist da gerade ein Gedanke gekommen, wie man den Heidenbrücks doch noch eins auswischen kann.“ Herr Schweitzer dachte an seine gekauften Bücher und die Dokumente, die darin abgedruckt waren.
    „Da haben Sie sich ja was vorgenommen.“ Frau Silbermann ließ die Zigarettenschachtel in ihrer Handtasche verschwinden und erhob sich. „Ich gehe jetzt.“
    Herr Schweitzer begleitete sie zur Tür. „Auf Wiedersehen. Es war nett, Sie kennenzulernen. Und danke, daß Sie sich die Zeit genommen haben. Es war richtig, daß Sie Esther alles erzählt haben.“
    Miriam Silbermann bedachte ihn mit einem Blick, der zwischen Erleichterung und Sorge schwankte. „Vielleicht. Ich habe viele Fehler in meinem Leben gemacht. Daß Esther glücklich wird, ist das einzige, was ich mir jetzt noch wünsche.“
    „Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. So, wie ich Esther kenne, ist sie bereits glücklich. Immerhin haben Sie ihr Vertrauen geschenkt. Was gibt es Schöneres?“
    „Sie sind lieb. Auf Wiedersehen.“
    Herr Schweitzer sah ihr lange nach. Eine Minute später stand er noch immer im Türrahmen und starrte auf den blauen Läufer im Flur. Der heutige Tag würde ihn noch beschäftigen, wenn er längst wieder im Alltagstrott verankert war. Den Kopf voller angenehmer und unangenehmer Gedanken schloß er die Tür. Er duschte heiß. Dann ging er zu Maria an die Bar.
    Es tat gut, seine Liebste in die Geheimnisse einzuweihen und sie mit

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