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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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hinter dem Vorhang des Fensters im ersten Stock und sah dem Polizisten nach. Worum sich das Gespräch gedreht hatte, war nicht schwer zu erraten.
    Unter dem Morgenrock (seinem Morgenrock) war sie nackt. Die Figur, die man mit einigem gutem Willen noch als üppig bezeichnen konnte, fing schon bedenklich an zu wabbeln. Besonders gegen den Bauch mußte sie etwas tun, das war ihr klar. Sie war eine sehr gute Schwimmerin. Regelmäßig dreißig, vierzig Bahnen — das würde schon was bringen...
    Was die Figur an Reizen nicht mehr hergab, machte der verführerische Duft des teuren Eau de Toilette, «Mimosa Pour Moi», wieder wett. Es war das letzte Geschenk von Felix gewesen.
    Felix...
    Er hatte sich immer so an ihrem Anblick und an ihrem Duft erfreut, wenn sie sich nach dem Bad (und sie badete oft und für ihr Leben gern) abgetrocknet hatte. Sie dachte an den Brief, den er ihr geschrieben hatte, als er in dem feinen Londoner Hotel mit ihr zum Frühstück hatte gehen wollen und sie sich noch immer genüßlich in der Badewanne rekelte.
    Der Brief steckte in ihrer abgewetzten Umhängetasche, sie las ihn immer wieder.
    Ich frage meine Liebste, ob sie bereit ist, mit mir zum Frühstück zu gehen; und mit einer kreisförmigen Bewegung schwingt sie ihr Deospray, sprüht erst die linke, dann die rechte Achselhöhle ein.
    Doch sie gibt keine Antwort.
    Ich frage meine Liebste, ob sie in der gemeinsamen Nacht an mich gedacht hat, und sie macht einen Schmollmund und streckt die rechte Hand aus, als müßte sie einen wackelnden Tisch auf der Terrasse im Trout zur Ruhe bringen.
    Doch sie gibt keine Antwort.
    Ich frage meine Liebste, warum sie zu einem Rendezvous mit mir nicht hin und wieder pünktlich kommen kann; und wie sehr würde ich mich freuen, wenn sie sich kopfüber in einen See von Ausreden stürzen würde.
    Doch sie gibt keine Antwort.
    Ich frage meine Liebste, was sie am meisten liebt im Leben; und sie lächelt (endlich ein Lächeln) und deutet auf das duftende Wasser in der Wanne, von dem sie sich gerade noch hat umspülen lassen, auf dem gerade noch ihre vollen Brüste trieben.
    Und näher, so scheint mir, werde ich einer Antwort nie kommen.

    Sie fand es aufregend, über sich in der dritten Person zu lesen, als sei sie eine Hauptfigur in einem Schlüsselroman (Felix hatte ihr den Begriff erklärt) und eine wichtigere Persönlichkeit, als sie in Wirklichkeit war. Denn die Wirklichkeit sah so aus, daß sie, statt in einem Rolls vor der Abtreibungsklinik vorzufahren, an diesem Mittwoch auf Bahnsteig zwei in den blöden Morgenzug in das blöde Birmingham steigen würde.

    Ashley Davies trat hinter sie und löste den Gürtel ihres (seines) Morgenrocks.
    «Du, ich könnte...»
    Sie machte sich los, warf den Morgenrock ab, zog ihren schwarzen Hüfthalter und den schwarzen BH an, streifte ein dünnes dunkelblaues Kleid über das gescheckte Haar und rollte die schwarzen Strümpfe mit den Laufmaschen hoch.
    Davies sah ihr schweigend zu. Das Anziehen fand er bei ihr fast so aufregend wie das Ausziehen. «Was ist denn?» fragte er schließlich. «Was hab ich falsch gemacht?»
    Sie stand vor dem Spiegel, zog die Lippen nach und antwortete nicht.
    «Ellie.»
    «Ich gehe.»
    «Was soll das heißen? Wir wollten doch zusammen essen.»
    «Ich gehe.»
    «Das kannst du mir nicht antun!»
    «Meinst du?»
    «Wegen der Polizei?»
    «Kann schon sein.»
    «Aber er ist weg, es ist alles vorbei.»
    Sie griff nach einer kleinen Reisetasche aus verschossenem rosa Leinen, auf der die Logos von Punkgruppen und Popstars prangten.
    «Ich gehe.»
    «Wann sehen wir uns wieder?»
    «Überhaupt nicht.»
    «Ellie!»
    «Ich will dich nicht wiedersehen.» (Ein erstaunlich langer Satz.) Davies setzte sich deprimiert auf die Bettkante. «Du liebst mich nicht, stimmt’s?»
    «Stimmt.»
    «Hast du mich je geliebt?»
    «Nein.»
    «Hast du Matthew geliebt?»
    «Nein.»
    «Erzähl mir bloß nicht, daß du McClure geliebt hast, diese Flöte.»
    «Die war so mit das einzige, was ich an ihm geliebt habe.»
    «So was sagt man nicht.»
    «Warum fragst du dann?»
    «Hast du überhaupt jemals einen Menschen geliebt?»
    «Meine Mum.»
    «Und sonst?»
    «Vielleicht meinen Dad — meinen richtigen Dad. Aber das weiß ich nicht mehr so genau.» Mit raschen, gekonnten Bewegungen von unten nach oben trug sie Wimperntusche auf.
    «Und wo willst du jetzt hin?»
    «Oxford.»
    Seufzend holte Davies die Autoschlüssel aus der Tasche. «Na dann los.»
    «Aber nicht mit dir.»
    «Was

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