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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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durch ein Wunder, fand Brenda — aufgehört zu zittern.
    «Bist du das, Ted?» fragte sie regelmäßig, wenn er nach Hause kam, es war eine seit Jahren feststehende Formel. An diesem Nachmittag brach sie — vielleicht ganz unbewußt — aus dem vorgegebenen Muster aus. «Bist du das?» fragte sie mit fester Stimme. Die Frage war unpersönlich, hätte nun jedem Beliebigen gelten können, ließ offen, ob sie einem Zweibeiner galt oder vielleicht nur einem Hund.
    Noch hielt die kleine Festung im Kampfgetümmel stand. Gewiß, bald würde auch sie in Feindeshand fallen, aber vorerst hatte sie Verstärkung bekommen und konnte noch eine Weile aushalten. Als die Tür ging, überkam sie ein regelrechtes Machtgefühl.
    «Bist du das?» wiederholte sie.
    «Wer denn sonst?»
    «Tasse Tee?»
    «Dose Bier.»
    «Das Museum hat angerufen. Die Dame wollte wissen, wie es dir geht. Nett von ihr, nicht?»
    «Nett? Hat sich was! Die will bloß wissen, wann ich wiederkomme. Hat wohl einen Engpaß beim Personal.»
    «Eigentlich müßten die Leute doch froh über so einen Job sein. Bei dieser Arbeitslosigkeit heutzutage...»
    «Vorausgesetzt, die Kohle stimmt...»
    «Aber sie bezahlen doch sicher ganz anständig.»
    «Woher willste das wissen? Haste etwa in meinen Sachen rumgeschnüffelt, als ich im Krankenhaus war? Will ich dir nicht geraten haben.»
    «Was du bekommst, weiß ich nicht, du hast es mir ja nie gesagt.»
    «Genau, also erzähl nicht solchen Scheiß. Brauchst ja bloß mal an deinen Job zu denken. Was zahlt dir deine blöde Paukerin fürs Putzen? Noch nicht mal vier Pfund die Stunde, stimmt’s? Die reinste Sklavenarbeit. Und das bei ihrem Gehalt.»
    Brenda antwortete nicht, aber die Fahne auf der kleinen Festung wehte noch. Mrs. Stevens zahlte ihr tatsächlich noch nicht mal vier Pfund; zehn Pfund für drei Stunden Putzen, zweimal die Woche. Nur wußte Brenda natürlich, daß das kein böser Wille war. Mrs. Stevens hatte ihr ganz offen gesagt, daß sie finanziell gar nicht gut dastand. Heute mittag hatte sie sogar erzählt, sie wolle ihren alten Volvo verkaufen, den sie für fünfzehn Pfund im Monat in einer klapprigen Garage ein paar Ecken weiter untergebracht hatte.
    Der leise vor sich hin rostende Wellblechschuppen bot dem Wagen nur einen minimalen Schutz, aber immerhin hatte Mrs. Stevens auf diese Weise einen Parkplatz, der ihr vor der eigenen Haustür nie sicher war, weil andere Autofahrer (das hatte ihr die Stadtverwaltung ausdrücklich bestätigt) mit dem gleichen Recht dort parken durften wie sie. Ihren Kontostand bei Lloyds würde der Verkauf des Wagens nicht wesentlich aufbessern («340 Pfund kann ich Ihnen dafür noch geben, na schön, sagen wir 350»), aber sie sparte die nicht unerheblichen Nebenkosten für Versicherung, Steuer, Inspektion, Reparaturen, Garage und und und... mindestens 800 Pfund im Jahr. «Und im Grunde brauche ich eigentlich gar keinen Wagen», hatte Julia zu Brenda gesagt.
    Es wäre ehrlicher gewesen, ihr den wahren Grund für den Verkauf zu nennen. Aber bei dem Treffen im Old Parsonage Hotel hatte kein Austausch von Geheimnissen stattgefunden, sondern lediglich eine Weitergabe in eine Richtung.

    Nachdem er den angeschlagenen Morse abgesetzt hatte, fuhr Lewis ins Präsidium zurück und nahm sich die Oxford Mail vor, die jemand Morse auf den Schreibtisch gelegt hatte. Ja, sie hatten den Artikel noch hereingenommen, er stand ganz unten auf Seite 1.

    Mord an Oxford-Professor

    Die Polizei bittet um Mithilfe bei der Aufklärung des brutalen Mordes an Dr. Felix McClure, der am Sonntag erstochen in seiner Wohnung in Daventry Court, North Oxford, aufgefunden wurde.
    Detective Sergeant Lewis von der Thames Valley Police erklärte unserem Reporter, daß trotz intensiver Suche die Mordwaffe noch nicht gefunden werden konnte. Die Polizei bittet die Anwohner der Daventry Avenue, sich auf ihren Grundstücken umzusehen; es ist denkbar, daß der Mörder nach Verlassen des Tatorts die Waffe weggeworfen hat.
    Es könnte sich dabei um ein in der Küche gebräuchliches Fleischmesser mit einer etwa 5 cm breiten und 14-15cm langen Klinge handeln. Falls Sie ein solches Messer entdecken sollten, berühren Sie bitte Ihren Fund nicht, sondern verständigen Sie unverzüglich Ihr zuständiges Polizeirevier.

27

    Viel Geld der Hure zahlt ein Mann,
    Wenn artig sie ihm schmeicheln kann.
    (W. H. Auden, New Year Letter)

    Nachmittags nahm Lewis dann die B-B-B-Route: Bicester — Buckingham — Bedford. Er hatte Glück:

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