Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
ganzen Montag und Dienstag damit verbracht hatte, den Garten wieder in einen leidlich ansehnlichen Zustand zu versetzen, fand er erst am Mittwoch mittag wieder Anschluß an das normale Leben in Oxford und dessen Klatsch und Tratsch. Zu Ehren einer Gruppe von Bibliothekaren aus Oklahoma hatte Trinity College zu einem Cocktail-Empfang gebeten.
    «Ein guter Bordeaux, Richard», meinte einer seiner Kollegen.
    «Sehr ausgewogener Wein, George.»
    «Sag mal, du mußt doch den alten McClure gekannt haben. Wohnt nur ein paar Häuser von dir entfernt, nicht? Wohnte vielmehr...»
    «McClure?» Rayson runzelte die Stirn.
    «Der arme Kerl, den sie abgestochen haben.»
    McClure. Felix McClure. Abgestochen.
    Das Messer.

    Nachmittags um fünf stand Detective Sergeant Lewis vor dem Beweisstück Nummer Eins, das auf der Arbeitsfläche der Küche in Raysons sieben Grundstücke vom Tatort entfernten eleganten Einfamilienhaus in der Daventry Avenue lag. Das Messer war, wie Rayson ihm schon am Telefon gesagt hatte, am Zaun gefunden, ins Haus gebracht, abgewaschen, abgetrocknet und weggelegt, wieder hervorgeholt, zum Schneiden von gekochtem Schinken benutzt, erneut abgewaschen, weggelegt und abermals hervorgeholt worden, als Rayson am späten Nachmittag von Trinity zurückgekommen war und seinen Fund mit gruselndem Interesse in Augenschein genommen hatte.
    Da nunmehr jede Hoffnung auf Blutspuren oder Fingerabdrücke dahin war, nahm Lewis seinerseits das Messer mit dem schwarzen Griff und der unten ungewöhnlich breiten und oben spitz zulaufenden Klinge in die Hand, und in seinem Kopf liefen mehrere Überlegungen gleichzeitig ab. Da war zunächst die in der Oxford Mail veröffentlichte Beschreibung der Mordwaffe, die sich so auffallend mit dem Aussehen dieses Messers deckte und die Morse im Hinblick auf die Gefahr von Nachahmungstätern nicht unbedenklich erschienen war. Dann war da die Tatsache, daß nunmehr die zweite Grundforderung des Chief Inspector erfüllt war: Sie hatten nicht nur eine Leiche, sondern auch eine Tatwaffe, die wunderbar ins Konzept paßte. Und drittens der aufregende Gedanke, daß Lewis erst neulich einem ähnlichen Messer begegnet war, das möglicherweise aus demselben Messer-Set stammte — dem handlichen kleinen Messer nämlich, mit dem Mrs. Brooks am Sonntag den Teekuchen geschnitten hatte.

37

    Ich genieße die Rekonvaleszenz; es ist die Phase, um derentwillen sich die Krankheit lohnt.
    (George Bernard Shaw)

    Am Donnerstag, dem 8. September, geschah — wie schon am Vortag — so vieles in dichter Aufeinanderfolge, daß der Chronist Mühe hat, die Ereignisse zu ordnen, die zum Teil parallel abliefen, sich aber auch überschnitten und über ihren unmittelbaren Zeitrahmen hinaus Wirkung hatten. Beginnen wir unseren Bericht in der Wohnung von Morse in North Oxford.

    Um zehn sollte Morse entlassen werden. Als Lewis eine halbe Stunde vorher bei der Stationsschwester anrief, weil er seinen Chef abholen wollte, mußte er erfahren, daß der Chief Inspector das Krankenhaus bereits verlassen hatte. Er hatte sich von einem Facharzt mitnehmen lassen, der nach Bicester fuhr.
    Um Viertel vor zehn klingelte Lewis bei seinem Chef zu Hause, und wie gewöhnlich, wenn er vor der Wohnung des einsamen Mannes wartete, beschlich ihn leise Sorge. Doch dann erschien Morse, vollständig angekleidet, mit rosigen Wangen und schnaufend wie eine asthmatische Bulldogge.
    «Ich habe eine neue Diät begonnen, Lewis. Kein Nikotin, wenig — sehr wenig — Alkohol, viel frisches Obst und Salat, regelmäßig Gymnastik. Was sagen Sie dazu: Ich habe gerade...» Morse machte eine kleine Pause und holte tief Luft. «...Ich habe gerade ein Dutzend Liegestütze hinter mir. Vor einer Woche hätten Sie das doch nie für möglich gehalten, oder?»
    «Darüber sind Sie bestimmt sehr... froh, Sir!»
    «Fix und fertig bin ich, Lewis! Aber kommen Sie herein. Schön, daß Sie da sind. Was zu trinken?»
    Fast mit dem Gefühl, verbotenes Terrain zu betreten, ging Lewis ins Wohnzimmer und setzte sich.
    «Für mich nichts, danke.»
    «Na ja, ich...» Morse leerte rasch das Glas, das neben den Tristan und Isolde -Kassetten der Deutschen Grammophon Gesellschaft im Bücherregal stand und in dem eine blaßgelbe Flüssigkeit schwappte. «Kleines Trankopfer für die Götter, die dafür gesorgt haben, daß ich dieses Jammertal diesmal noch nicht habe verlassen müssen.»
    Lewis berichtete von dem Messer.
    «Das darf nicht wahr sein! Wir haben doch die Gärten

Weitere Kostenlose Bücher