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Die Leiche im rosa Nachthemd

Die Leiche im rosa Nachthemd

Titel: Die Leiche im rosa Nachthemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. A. Fair
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sagte ich.
    Sie sah sich die Karte an,
steckte sie ein und lächelte mir zu. Ich half ihr in den Mantel und brachte sie
in der Firmenkutsche nach Hause. Sie wohnte in einem zweigeschossigen Holzhaus,
dem eine neue Farbschicht nicht geschadet hätte. Vermutlich war es ein
Privathaus, in dem sie ein möbliertes Zimmer hatte. Ich fragte nicht. In einer
Kleinstadt, in der, wie sie selbst gesagt hatte, Klatsch die Hauptbeschäftigung
bietet, konnte ich jederzeit Näheres über sie erfahren, wenn es sein mußte.
    Ein Gute-Nacht-Kuß, merkte ich,
war unerwünscht. Auch gut, dachte ich. Wer nicht will, der hat schon...
    Kurz vor Mitternacht war ich
wieder in meinem Hotel. Eine Zigarre machte den Nachtportier gesprächig und
verschaffte mir Einblick in das Anmeldebuch. Ich fand die Eintragungen von
Miller Cross und Evaline Dell. Die Adressen waren vermutlich falsch. Ich
schrieb sie mir aber trotzdem sicherheitshalber auf, während der Nachtportier
an der Telefonvermittlung beschäftigt war.
    Als er wieder an seinen
Schreibtisch zurückkam, schwatzten wir noch ein wenig. Ich erfuhr, daß Miss
Dells Koffer auf der Bahnfahrt nach Oakview beschädigt worden war und daß sie
sich vom Hotelportier und vom Gepäckträger den Schaden hatte schriftlich
bestätigen lassen. Ob sie eine Entschädigung bekommen hatte, wußte er nicht.
    Ich gab telefonisch ein
Telegramm an Bertha Cool durch.
    »Fortschritt zähflüssig.
Erbitte Beschaffung von Unterlagen Schadensmeldung an Southern Pacific Railroad
Company. Gegenstand: ein beschädigter Koffer, aufgegeben nach Oakview vor drei
Wochen. Läuft vermutlich auf den Namen Evaline Dell. Kann ich fünfundzwanzig
Dollar für nützliche Informationen ausgeben?«
    Ich legte den Hörer auf, ging
zu meinem Zimmer und steckte den Schlüssel ins Schloß. Während ich mich noch
darüber ärgerte, daß die Schlösser in Oakviews Paradehotel offenbar verrostet
waren, wurde die Tür von innen geöffnet. In dem dunklen Zimmer, nur spärlich von
der Straße her erhellt, stand eine breitschultrige Gestalt. »Hereinspaziert,
Lam!« sagte die Gestalt und knipste das Licht an.
    Der Bursche mochte
einsfünfundachtzig oder einsneunzig groß sein und wog bestimmt über zwei
Zentner. Ein Kleiderschrank von Mann. Die Pfote, die meinen Schlips packte, war
groß, hart und schwielig. »Wird’s bald?« Er ruckte an dem Schlips, machte eine
Handbewegung, und ich flog mit einem Krach quer durchs Zimmer auf mein Bett.
»Na also«, sagte er.
    Er stand zwischen mir und der
Tür — und zwischen mir und dem Telefon. Vorhin hatte ich mich davon überzeugen
können, daß der Nachtportier nicht gerade zur schnellen Truppe gehörte. Von dem
war also keine Hilfe zu erwarten. Und einen Anruf bei der Polizei würde mein
bulliger Besucher wohl auch nicht tatenlos hinnehmen.
    Ich rückte meinen Schlips
zurecht und fragte: »Was wollen Sie?«
    »Daß Sie verschwinden, und zwar
ein bißchen plötzlich.«
    »Warum?«
    »Das hiesige Klima ist
ungünstig für naseweise Knirpse.«
    »Davon hab’ ich bisher noch
nichts gemerkt.«
    »Kommt noch«, versicherte er.
»In der Nacht stürzen sich die Mücken auf einen, und morgens hat man seine
Malaria weg.«
    »Mir sind ja manchmal Mücken
lieber als Elefanten«, sagte ich und musterte seine massige Gestalt von oben
bis unten.
    Sein Gesicht verfinsterte sich.
»Werd bloß nicht unverschämt, du halbe Portion.«
    Ich fischte eine Zigarette aus
der Tasche. Er sah interessiert zu, wie ich sie anzündete. Als er bemerkte, daß
meine Hand dabei zitterte, lachte er dreckig.
    Ich nahm einen tiefen
Lungenzug. »Nun mal weiter!«
    »Das war alles«, erklärte er.
»Pack deinen Koffer. Ich begleite dich dann runter zum Wagen.«
    »Und wenn ich auf die
Begleitung dankend verzichte?«
    »Wenn du jetzt gehst, schaffst
du es noch auf deinen eigenen Beinen«, sagte er ganz liebenswürdig.
    »Und wenn nicht?«
    »Jeder kann mal einen Unfall
bauen.«
    »Ich nicht. Meine Freunde
wissen das.«
    »Schlafwandler fallen
gelegentlich bei ihren nächtlichen Spaziergängen aus dem Fenster. Da nützen
dann die besten Freunde nichts mehr.«
    »Ich könnte schreien«, sagte
ich. »Man würde mich hören.«
    »Sicher«, sagte er.
    »Und man würde die Polizei
rufen.«
    »Sicher.«
    »Und was wäre dann?«
    »Dann wären wir beide nicht
mehr hier, du Taschenausgabe.«
    »Na«, meinte ich, »dann können
wir das ja mal probieren. Hilfe«, schrie ich, »Pol...«
    Mit einem einzigen
geschmeidigen Satz hechtete er zu mir

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