Die Leiche im rosa Nachthemd
an. »Es ist keine schlechte Idee«, sagte sie. »Aber
trotzdem glaube ich, daß Sie so nicht weiterkommen. Die wissen sicher nicht, wo
sie steckt.«
»Warum glauben Sie das?«
»Die Sache hat damals sehr viel
Aufsehen erregt.«
»Ja, damals! Inzwischen hat
sich in der Welt ja auch sonst noch allerhand getan.«
Sie schien sich nicht so recht zu
einem Entschluß durchringen zu können. »Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und
mir eine Chance«, bat ich.
»Sie geben mir ja auch keine«,
wandte sie ein.
»Die Suche nach Mrs. Lintig
könnte doch durchaus auch in ihrem eigenen Interesse sein. Kann sein, daß eine
fette Erbschaft sie erwartet.«
Marian Dunton lachte. »Das ist
fast so wahrscheinlich wie ein Lotteriegewinn.«
Ich grinste.
»Wollen Sie mir nicht sagen,
weshalb Sie sich so brennend für Mrs. Lintig interessieren?« fragte sie.
Ich versuchte, meine Spannung
zu verbergen. »Ich weiß es ja selber nicht«, antwortete ich.
»Sind Sie nur Befehlsempfänger,
oder arbeiten Sie auf eigene Rechnung?«
»Wenn ich sie finde, könnte was
für mich dabei herausspringen«, sagte ich.
»Und wenn ich sie
finde?« fragte sie.
»Wenn Sie etwas wissen und sich
entschließen, ein bißchen gesprächiger zu werden, könnte für Sie auch etwas
herausspringen.«
»Wieviel?«
»Das weiß ich noch nicht. Dazu
muß ich erst noch ein paar Fragen stellen. Wissen Sie, wo Mrs. Lintig ist?«
»Leider nicht. Das wäre ein
Knüller für unsere Zeitung. Ich sammle nämlich Material für die Stimme.«
»Würden Sie eine
Gehaltserhöhung bekommen?«
»Nein.«
»Ich könnte Sie vielleicht mit
jemandem zusammenbringen, der für die Information mehr zahlt als die Stimme.«
»Die Stimme zahlt mir nichts.«
»Dann ist unser Angebot auf
jeden Fall höher.«
»Wieviel?«
»Danach müßte ich mich erst
erkundigen. Was boten denn die anderen?«
»Welche anderen?«
Ich mimte Überraschung. »Na, es
haben sich doch schon mehr Leute nach Mrs. Lintig erkundigt.«
»Hätte ich nur nichts von einer
heißen Spur gesagt!« jammerte sie.
»Ihr Chef war über die
Bemerkung auch nicht sehr erbaut.«
Sie starrte auf ein großes
Bierglas, das ziemlich unmotiviert als Dekoration des Eiscafés in der Gegend
stand. »Wie lange wohnen Sie schon in Los Angeles?«
»Ich hab’ mein ganzes Leben
dort verbracht.«
»Und gefällt es Ihnen?« fragte
sie.
»Nicht besonders.«
»Na, also ich stelle es mir
einfach himmlisch vor.«
»Warum?«
»Weil man mitten im Trubel ist«,
sagte sie, »statt in einer schläfrigen Provinzstadt, wo jeder jeden kennt. In
der Großstadt kann man leben, wie es einem paßt. Bei den vielen Menschen hat
man praktisch unbegrenzte Möglichkeiten für Kontakte und Freundschaften. Es
gibt Theater, Warenhäuser, Geschäfte, schicke Friseure, Restaurants...«
»Es gibt auch Neid und
Gaunerei«, sagte ich. »Es gibt einen Verkehrsschilderurwald, Parkverbote,
Einbahnstraßen, Hetze, Krach und Durcheinander. Und was die
Kontaktmöglichkeiten betrifft — jedem, der mal von Herzen die Einsamkeit
genießen will, rate ich, es in der Großstadt zu versuchen. Dort ist man fremd,
und wenn man nicht das große Glück hat, einen netten Kreis zu finden, bleibt
man es auch.«
»Immerhin«, meinte sie, »ist
das besser, als jeden Tag die gleichen langweiligen Gesichter zu sehen und in
einem immer schläfriger werdenden Kaff zu wohnen, in dem sich die lieben
Mitmenschen in den Angelegenheiten anderer besser auskennen als in ihren
eigenen.«
»So — tun sie das?«
»Das bilden sie sich jedenfalls
ein.«
»Kopf hoch«, tröstete ich. »Sie
haben ja Charlie.«
»Charlie? Ach so, ja.«
»So, wie ich es sehe, gibt’s
für Sie nur Charlie — oder die Großstadt. Ihm gefällt’s ja hier.«
»Wollen Sie mich auf den Arm
nehmen?«
»Gern. Im Augenblick stelle ich
allerdings nur Fragen. Wie wär’s denn nun mit ein paar nützlichen Tips?«
Sie hackte ein Stückchen
Eiskrem ab, zerteilte es mit dem Eislöffel sorgfältig in winzige Stückchen, die
sie zu einer gelben Soße zermanschte. »Sie arbeiten, wenn ich Sie recht
verstehe, nicht allein, Donald. Sofern ich Ihnen nun einen nützlichen Tip gebe,
müßten Sie erst zurückfragen, ob Sie auch etwas dafür zahlen dürfen.«
»So ist es.«
»Weshalb sollte ich dann schon
jetzt mit meiner Weisheit herausrücken?«
»Sagen wir mal, aus reiner
Menschenfreundlichkeit«, schlug ich vor.
»Hören Sie zu, Donald. An dem
Geld liegt mir nichts — jedenfalls nicht in erster Linie. Wenn ich
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