Die Leiche im rosa Nachthemd
noch nicht
hereingeholt. Am Bett stand ein Aschenbecher mit Zigarettenstummeln. Einer
davon trug Lippenstiftspuren.
Evaline hatte immer eine
Packung Zigaretten und Streichhölzer am Bett. Ihr erster Griff, wenn sie
aufwachte, war zu den Zigaretten. Das weiß ich zufällig.
Ich sehe die Sache so: Jemand
kam Evaline besuchen. Es muß jemand gewesen sein, den sie kannte. Sie
unterhielten sich. Als die Unterredung nicht nach Wunsch des Besuchers verlief,
griff er nach einer Schnur und schlang sie ihr um den Hals. Ich glaube, Sie
wissen, wer dieser Mann war.«
»Klar weiß ich das. Es war Dr.
Alfmont. Er hatte sie aufgespürt — wahrscheinlich durch die Schadensmeldung bei
der Bahn — und wollte mit ihr handeln. Aber er mußte feststellen, daß sie nur
ein kleines Rädchen in einer großen, bösen Maschinerie war. Weil er ihr nicht
mit Geld den Mund stopfen konnte, erwürgte er sie. Und jetzt machen Sie sich
flüssig, ehe die Polizei Sie dazu zwingt. Das ist keine leere Drohung.«
Ich zwinkerte Bertha zu. »Die Polizei
hat mit den Zigarettenstummeln den Jodtest gemacht, mit dem sich auch die
schwierigsten Fingerabdrücke fixieren lassen. Sie werden die Fingerabdrücke von
Evalines Besucher finden. Es wäre doch nun recht unangenehm, wenn sich
herausstellen sollte, daß dieser Besucher John Harbet von der Sittenpolizei in
Santa Carlotta war und daß Harbet mit Ho Danzer eng zusammengearbeitet hat.«
»Blödsinn«, fertigte Flo mich
ab. »Was ich getan habe, kann ich jederzeit zugeben. Ich habe mich in Oakview
als Mrs. Lintig ausgegeben. Na und? Wer will mir nachweisen, daß ich Dr. Lintig
erpressen wollte? Von Geld war nie die Rede. Und denken Sie bloß nicht, daß
John Harbet sich erwischen läßt. Nein — den letzten beißen die Hunde, und das
ist Dr. Alfmont.«
Ich nickte Bertha zu und stand
auf. »Gehen wir.«
Bertha zögerte.
»Wir werden den Bezirksanwalt
aufsuchen und die Karten auf den Tisch legen. Ich schätze, daß wir ihn dazu
bewegen können, einen Haftbefehl für Flo Danzer und John Harbet wegen
strafbarer Verschwörung auszustellen. Ihr Auftreten als Mrs. Lintig war Betrug.
Sie ist noch lange nicht aus dem Schneider.«
»Hör mal, ich...«
Ich öffnete die Tür und kam mir
vor wie ein Hundehalter, der einen widerspenstigen Dackel aus einer Beißerei
mit einem Straßenköter wegzuzerren versucht. Schließlich kam sie mit — aber
sehr ungern. Sie war stinkwütend. Meine Taktik gefiel ihr nicht. Sie wäre am
liebsten dageblieben und hätte Flo Danzer auseinandergenommen.
Flo Danzer sagte nichts. Sie
hatte ihre Selbstbeherrschung wiedergefunden und starrte uns mit
feindselig-verbissener Miene nach.
Draußen fragte Bertha: »Was ist
denn in dich gefahren, Donald? In ein paar Minuten hätte sie klein beigegeben.«
»Eben nicht«, sagte ich. »Ihr
beiden hättet doch nur wieder eine Rauferei angefangen. Wir haben noch nicht
genug Material.«
»Wieso nicht?«
»Weil wir nichts beweisen,
sondern nur bluffen können. Zweck der Übung war ja, sie zu einem Anruf bei
Harbet zu veranlassen. Wenn sie so richtig losgeht — was ich hoffe —, stehen
der Telefonistin die Haare zu Berge. Dann haben wir einen Beweis. Jetzt reden
wir nur heiße Luft.«
Wir fuhren mit dem Lift nach
unten. Ich blieb an der Zentrale stehen und sagte: »Vielen Dank.« Leiser fügte
ich hinzu: »Ich melde mich in einer Viertelstunde.«
Bertha Cool setzte am Empfang
ihre Brillanten wieder mal ins rechte Licht. »Sie haben wirklich wunderschöne
Apartments«, sagte sie mit huldvollem Lächeln. Der Empfangschef verlor seine
vornehm-eisige Zurückhaltung und strahlte übers ganze Gesicht. »Einige sind
noch frei, falls Sie Interesse haben«, meinte er.
»Vielleicht später einmal«,
sagte Bertha und nickte mit genau dem richtigen Maß an Herablassung.
Majestätisch segelte sie durch die Tür, die ich dienstfertig aufgerissen hatte.
Sie sah aus wie eine Multimillionärin, die mal eben ihren Schmuck auslüften
geht.
Ich steuerte auf die
Firmenkutsche zu, aber Bertha bremste mich. »Diese alte Karre lassen wir jetzt
mal stehen. Der Kerl schaut uns vielleicht nach. Wir schnappen uns ein Taxi.«
»Hier kommen sehen welche
vorbei«, meinte ich.
»Wir können uns ja in einem
Drugstore eins herantelefonieren.«
»Dann können wir mal bei Marian
vorbeifahren«, meinte ich beiläufig und beobachtete verstohlen Berthas Gesicht.
»Das geht jetzt nicht,
Kleiner.«
»Warum nicht?«
»Das erkläre ich dir später. Du
hast heute noch nicht
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