Die Leiche im rosa Nachthemd
sich auch kurz vor
fünf wieder bei mir melden. Die Firmenkutsche können Sie vorn stehenlassen.«
Als wir allein waren, sah sie
mich von der Seite an. »Du siehst hundsmiserabel aus«, stellte sie fest.
Darauf antwortete man besser
gar nicht. »Was Neues?« fragte ich.
»Ein Telegramm vom Standesamt
in Sacramento.«
»Holla! Was sagen sie denn?«
»Amelia Sellar hat im Februar
1952 einen gewissen John Wilmen geheiratet. Über den Tod von Amelia oder John
Wilmen ist nichts bekannt. Und nun, Donald?«
»Nun stehen wir erst mal vor
dem Key West wie bestellt und nicht abgeholt.«
»Was sollen wir ihr sagen?«
»Kommt drauf an wie sie
reagiert. Laß mich reden, dann merkst du schon, wie der Hase läuft. Ich
schätze, daß sie heute die Bombe platzen lassen — wenn sie können. Es ist
gerade noch genug Zeit vor den Wahlen, um die Nachricht tüchtig aufzubauschen
und mit Gerüchten zu verbrämen. Für eine Widerlegung ist es dann aber schon zu
spät.«
»Hast du gefrühstückt?« fragte
Bertha.
»Ja.«
Der Empfangschef lächelte
liebenswürdig, als er uns sah. Ich nickte und ging hinüber zur Telefonzentrale.
Frieda Tarbing schaute mich ausdruckslos an.
»Bitte rufen Sie doch Mrs.
Lintig an«, sagte ich, »und sagen Sie ihr, daß ihr pflichtgetreuer Neffe in der
Halle wartet. Lassen Sie nicht zu lange läuten. Wenn sie schläft, will ich sie
nicht stören.«
Ich sah die dunklen Äugen
verständnisvoll aufblitzen. »Ich verstehe.«
Der Empfangschef sah uns einmal
an, dann wandte er sich ab. Frieda Tarbing machte sich an ihren Stöpseln und
Knöpfen zu schaffen und fragte leise: »Soll ich wirklich läuten lassen?«
»Nein.«
»Mrs. Lintig läßt bitten.
Zimmer 43 A, vierter Stock.«
Ein von einem farbigen Liftboy
bedienter Fahrstuhl beförderte uns in den vierten Stock. Das Key West war Klasse, der Service geräuschlos und gut.
Ich klopfte an die Tür von
Apartment 43 A.
Drinnen bewegte sich etwas. »Siehst
du — es braut sich was zusammen. Sie ist schon auf. Wahrscheinlich wird sie
heute nachmittag in Santa Carlotta erwartet, damit sie heute abend loslegen
können.«
Die Tür öffnete sich. Die Frau
aus dem Palace Hotel stand auf der Schwelle. Sie musterte mich einen
Augenblick stirnrunzelnd. Dann erkannte sie mich. Übrigens trug sie keine
Brille.
»Guten Morgen, Mrs. Lintig«,
sagte ich herzlich. »Wir kennen uns ja schon. Ich bin von der Stimme in Oakview. Ein Freund von Ihnen,
ein gewisser Sergeant Harbet, hat mich zu Ihnen geschickt.«
Sie machte ein verblüfftes
Gesicht. »Ich wußte nicht, daß der Artikel in Oakview erscheinen sollte. Ich —
kennen Sie denn Sergeant Harbet?«
»Aber ja. Wir sind alte
Kumpel.«
»Na, dann kommen Sie mal rein«,
sagte sie zögernd.
»Darf ich bekannt machen?
Bertha Cool. Mrs. Lintig.«
Bertha ließ ihre Brillanten
aufblitzen, und Mrs. Lintig wurde mit einem Schlag äußerst zuvorkommend. »Sehr
erfreut, Mrs. Cool. Kommen Sie doch näher.«
Ich zog sorgfältig die Tür
hinter mir ins Schloß. »Soviel ich weiß, soll der Bericht in Santa Carlotta zur
gleichen Zeit erscheinen wie bei uns.«
»Und von wem kommen Sie?«
fragte sie.
»Vom guten alten John. John
Harbet. Er hat gesagt, Sie wüßten schon Bescheid.«
»Na, dann ist ja alles in
Ordnung. Wissen Sie, man kann nie vorsichtig genug sein. Den ersten Teil meiner
Geschichte kennen Sie ja wohl. Daß mein Mann mich ohne einen Cent hat
sitzenlassen...«
»Hat er Ihnen nicht einen Teil
seines Vermögens überschrieben?« fragte ich.
Sie schnippte mit den Fingern.
»Das war doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein! Davon konnte man ja nicht
mal zwei Jahre leben. Und ich bin jetzt seit einundzwanzig Jahren auf mich
selbst gestellt. An allem ist dieses Flittchen schuld, diese Vivian Carter.
Seit Jahren suche ich nach ihm. Vor kurzer Zeit erst habe ich ihn aufgespürt.
Und was glauben Sie, wo er war?«
»In Santa Carlotta?« fragte
ich.
»Gut geraten. Oder hat John
Ihnen das erzählt? Na, das ist ja auch gleichgültig. Jawohl, in Santa Carlotta.
Er nennt sich Dr, Charles Loring Alfmont und lebt frech und schamlos mit dieser
Carter zusammen. Und stellen Sie sich diese Unverschämtheit vor — sie geben
sich als Ehepaar aus. Jetzt hat er sich sogar noch um das Amt des
Bürgermeisters beworben. Ist das nicht der Gipfel?«
Ich stieß einen leisen Pfiff
aus.
»Ich bin bestimmt nicht
boshaft. Aber daß diese Person seit Jahren die ehrbare Doktorsfrau spielt und
dann noch Frau Bürgermeister von Santa
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