Die Leichenstadt
weshalb nicht? Spinnen sind zumeist giftig und nicht eben kinderfreundlich.«
»Sie bringen Grüße.«
»Von wem denn?«
Lange schaute Jennifer den Chinesen an. »Von meinen Eltern, Sir. Sie bringen Grüße von meinen Eltern…«
»Gütiger Himmel, das darf nicht wahr sein«, flüsterte die Schwester neben Suko. »Was hat das Kind nur?«
Suko ließ sich nicht beirren. »Und was sagen die Spinnen?«
»Nichts, Sir.« Jennifer lächelte. »Sie können doch nicht sprechen. Ich merke sie nur in meinem Kopf.«
Was die Kleine mit ihren kindlichen Worten ausdrückte, umschrieb der Inspektor mit dem Begriff Telepathie. Jetzt hatte er die Möglichkeit gefunden. Die Spinnen setzten sich auf telepathischem Weg mit dem Mädchen in Verbindung. Sie waren praktisch der Katalysator zwischen dem Kind und seinen Eltern. Eine sehr interessante Konstellation, von der Suko bisher keine Ahnung gehabt hatte.
Er dachte allerdings auch an die anderen Spinnen, die er entdeckt hatte und kam darauf zu sprechen. »Es war doch nicht nur eine Spinne, die du gesehen hast?«
»Nein, viel mehr.«
»Richtig. Und wo sind sie jetzt?«
»Bei mir.«
Da lächelte Suko. »Ich sehe sie aber nicht.«
»Doch, Sir, doch. Heben Sie mal die Bettdecke hoch, dann werden sie die Spinnen…«
Suko schnellte in die Höhe. Er trat unwillkürlich einen Schritt zurück und nahm auch die Schwester mit. Beide schauten sie nach den Worten der kleinen Jennifer auf die weiße Decke.
Darunter bewegte sich etwas.
Man konnte annehmen, daß Jennifer ihre Beine nicht stillhielt, doch wer genauer hinschaute, der sah, daß sich das Laken überall in Bewegung befand, nicht nur dort, wo sich die Beine befanden.
»Gehen Sie zurück!« zischte Suko der Schwester zu. Sie gehorchte.
Der Inspektor aber streckte seinen Arm aus und bekam einen Deckenzipfel zu fassen. Er nahm ihn fest zwischen Daumen und Zeigefinger, und mit einem heftigen Ruck riß er das Laken in die Höhe. Freier Blick!
Die Schwester schrie erstickt, Suko hatte Mühe, einen Ruf zu unterdrücken, denn was die beiden zu sehen bekamen, war grauenhaft. Von dem Mädchen existierte kein Unterkörper mehr. Nur der Kopf mit dem schwarzen Haar lag auf dem Kissen. Wo sich ansonsten der Rest des Körpers befand, füllten zahlreiche Spinnen das Bett aus…
***
Ich zählte die Skelette nicht, doch es waren mehr als ein halbes Dutzend.
Jetzt hörte ich auch das Klappern der Skelettbeine auf den Stufen, und mir wurde ganz anders.
Kam ich gegen die Übermacht an? Sollte ich fliehen? Die Skelette ließen mir keinen Entscheidungs-Spielraum mehr, denn sie griffen sofort an. Wer sich dieser Leichenstadt und deren Gegebenheiten nicht angepaßt hatte, war für sie ein Gegner, den es zu vernichten galt. Viel Bewegungsfreiheit blieb mir nicht. Nach vorn deckten die Knöchernen den Weg, und hinter mir befand sich das gefährliche Loch in der Plattform, das für mich zu einer Todesfalle werden konnte. Ich sah, wie auch vor einiger Zeit in der Nähe des Geistergrabes, hier die Spinnen aus den leeren Augenhöhlen der Skelette kriechen, und ich erinnerte mich an die Worte des ehemaligen CIA-Agenten Errol Boysen, daß die Knöchernen die Herren der Spinnen waren.
Letztere hockten, wie die kleineren Parasitenfische bei den Haien, in den Augenhöhlen der Skelette, wo sie allmählich hervor krochen. Ziehen, zielen, schießen!
Drei Dinge, die ineinander übergingen. Ich hatte es oft genug probiert, so daß ich es jetzt konnte. Fast von selbst flog mir die Waffe in die Hand, vor der Mündung blitzte es auf, und das Skelett, das mir am nächsten war, bekam die Kugel voll mit.
Er wurde gegen die anderen geschleudert, brach zusammen, und aus den Knochen stiegen bläuliche Rauchfahnen hoch, die irgendwann zu dünnen Streifen zerflatterten.
Die Magie des Silbers zerstörte nicht nur die Knöchernen, sie riß die Spinnen auch gleich mit. Sie platzten auseinander, die Verbindung zu den Skeletten war gerissen, und diejenigen, die es nicht erwischt hatte, krabbelten aufgeregt davon.
Ich schoß noch zweimal, erledigte weitere Gegner und zerhieb sie förmlich, wobei die grünblau schimmernden Knochen wie Granatsplitter um mich herumflogen.
Auch einen dritten Schuß konnte ich noch abfeuern, dann hatten sie mich.
Sie waren einfach zu schnell und zu viele. Einem Skelett gelang es, meinen rechten Fußknöchel zu umklammern.
Ich kam zwar durch schnelle Tritte frei, mußte dabei jedoch nach hinten gehen, und da befand sich das Loch.
Ich trat
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