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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Fahrer, ein magerer junger Mann mit Brille.
    »Hotel ›Tura‹«, sagte Lena müde.
    »Steigen Sie ein«, erwiderte der Fahrer.
    Lena und Michael setzten sich auf die Rückbank, und erst als sie bereits auf der Chaussee stadteinwärts waren, fragte Lena:
     »Wieviel?«
    »Sind Sie mit einem Fünfziger einverstanden?«
    »Einverstanden«, sagte Lena.
    »Sie sind wohl aus Moskau?« erkundigte sich der gesprächige Chauffeur.
    »Ja.«
    »Und der alte Knabe ist Ausländer?« Der Fahrer senkte die Stimme ein wenig und blinzelte ihr im Spiegel zu.
    »Amerikaner.«
    »Ist er dienstlich hier? Oder macht er Urlaub und will sich auf seine alten Tage Sibirien ansehen?«
    »Dienstlich. Er ist Wissenschaftler, Historiker.«
    »Ja, das sieht man gleich, daß er Professor ist. Und Sie sind wohl seine Dolmetscherin?«
    Lena nickte und schaute aus dem Fenster auf die verschneite Stadt. Tjumen hatte sich in den vierzehn Jahren wenig verändert.
     Die grauen, häßlichen Plattenbauten aus der Chruschtschowzeit standen immer noch da, nur die roten kommunistischen Plakate
     hatten bunten Reklametafeln weichen müssen, wie sie in Moskau,Petersburg, New York und überall auf der Welt zu sehen sind.
    Natürlich gab es jetzt auch hier private Verkaufsbuden. Unter den Autos sah man ab und zu westliche Marken. Vor den Geschäften,
     Restaurants und Cafés, deren Zahl sich erheblich vermehrt hatte, trieben sich scharenweise Kaukasier in teuren Lammfelljacken
     und schlotternden weiten Hosen herum.
    »Bleiben Sie länger in unserer Gegend?« fragte der Fahrer.
    »Zwei, drei Tage«, erwiderte Lena.
    »Und dann?«
    »Dann fahren wir nach Tobolsk und Chanty-Mansijsk.«
    »Hör mal«, der Fahrer ging ganz beiläufig zum Du über, »ihr braucht doch sowieso einen Wagen, um durch die Stadt zu fahren.
     Wie wär’s, wenn ich euch chauffiere und nach eurer Rückkehr auch wieder zum Flughafen befördere. Das kommt euch billiger,
     als wenn ihr jedesmal ein Taxi nehmt.«
    Lena betrachtete das schmale, sympathische Gesicht im Rückspiegel. An einen Wagen hatte sie tatsächlich nicht gedacht. Michael
     war zwar wohlhabend, aber kein Millionär. Und der junge Mann wirkte freundlich und vertrauenswürdig.
    »Was würde dein Service denn kosten?«
    »Kommt drauf an, wieviel wir fahren«, sagte er lächelnd, »viel nehme ich nicht, du brauchst dir um das Portemonnaie deines
     Professors keine Sorgen zu machen. Ich hab ein Gewissen. Wie heißt du übrigens?«
    »Lena.«
    »Sehr angenehm. Ich heiße Sascha. Schreib dir am besten meine Telefonnummer auf.«
    Lena nahm Block und Kugelschreiber aus ihrer Tasche, und er diktierte ihr die Nummer.
    »Welche Pläne habt ihr für morgen?«
    »Wir ruhen uns ein bißchen im Hotel aus, essen zu Mittag, und dann gehen wir uns das alte Zentrum ansehen.«
    »Soll ich euch vielleicht besser durchs Zentrum fahren? Ich kenne die Stadt gut, ich bin hier geboren.«
    »Großartig!« Michael war über den Vorschlag sehr erfreut. »Der Junge sieht nicht aus wie ein Bandit. Und ich würde mich gern
     mit einem echten Sibirier unterhalten. Frag ihn, was er von Beruf ist.«
    »Ich habe als Ingenieur in einem Holzverarbeitungskombinat gearbeitet«, erklärte Sascha bereitwillig. »Aber der Lohn wird
     monatelang nicht ausgezahlt, es sind auch nur Kopeken. Und ich habe Familie, ein kleines Kind. Na, und deshalb bin ich jetzt
     ständig auf Achse, versuche was dazuzuverdienen.«
    Den Rest des Weges plauderte Michael lebhaft mit Sascha, und Lena übersetzte.
    Das Hotel »Tura« war das beste in der Stadt. Als Lena endlich allein in ihrem kleinen Einzelzimmer war, warf sie die Reisetasche
     auf den Boden, zog die Stiefel aus, fiel in einen Sessel und schaute einige Minuten still aus dem Fenster, betrachtete die
     langsam fallenden großen Schneeflocken, den graublauen nördlichen Himmel. In einem Seitenfach ihrer Reisetasche lagen die
     Briefe von Wassja Slepak und von der Mutter des ermordeten Oberleutnants Sacharow. Auf beiden Briefen standen die Absender
     – eine Adresse in Tjumen, die andere in Tobolsk. Vielleicht wohnten dort längst andere Leute? Und wenn es noch dieselben waren,
     was sollte sie ihnen sagen? Da kommt eine fremde Frau und will sie über vergangenes Leid ausfragen, in schmerzlichen Einzelheiten
     wühlen. Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden. Aber Wassja Slepak hatte seinen erschossenen Vater wohl kaum vergessen, und
     Nadeshda Iwanowna Sacharowa weinte sicher immer noch jede Nacht um den ermordeten Sohn.
    Lena stand

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