Die leichten Schritte des Wahnsinns
Artikel über die Kindheit und Jugend des berühmten Produzenten zu schreiben.
Sie kam zehn Minuten zu spät. Im Foyer des Hotels saßen Michael und Sascha und zwischen ihnen eine unbekannte Schöne, die
sich mit Michael lebhaft auf Englisch unterhielt.
Das Mädchen sah umwerfend aus – flammendrote, taillenlange Haare, grüne Mandelaugen, hohe Wangenknochen,ein großer sinnlicher Mund. Gekleidet war sie einfach und teuer – eine hellgraue Wollhose und ein schwarzer Kaschmirpullover.
Lena ging auf die drei zu und blieb dann unentschlossen stehen.
»Da bist du ja endlich!« rief Michael erfreut. »Darf ich vorstellen, das ist Natascha.«
Das Mädchen warf Lena einen taxierenden Blick zu, nickte kühl und fuhr fort, Michael ihr Rezept für die Zubereitung echter
sibirischer Pelmeni mitzuteilen. Aber Michael unterbrach sie.
»Entschuldigen Sie, Natascha«, sagte er lächelnd und stand aus seinem tiefen Sessel auf, »für uns wird es Zeit. Wir haben
heute noch eine Verabredung.«
»Sie haben ja wirklich ein volles Programm«, zwitscherte Natascha schmachtend und stand ebenfalls auf. »Also es bleibt dabei,
Michael?«
Sie war einen ganzen Kopf größer als Lena und sah mit hochmütigem und vernichtendem Blick auf sie herab.
»Natascha besitzt noch alte Kochbücher vom vorigen Jahrhundert mit Rezepten aus dieser Region«, erklärte Michael schuldbewußt,
als sie gemeinsam mit Sascha, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, zum Auto gingen.
»Sie hat dich also zu sich nach Hause eingeladen? Und du hältst mir Moralpredigten, Michael«, meinte Lena kopfschüttelnd.
»Mein liebes Kind, ich bin in einem Alter, in dem ich mir gewisse Freiheiten erlauben kann, erst recht in einem fremden Land
wie Sibirien, am Ende der Welt. So ein bildschönes Mädchen, eine echte Sibirjakin. Die Arme hat niemanden, mit dem sie Englisch
sprechen kann, sie vergißt die Sprache und ist darüber sehr traurig.«
»Lebt sie hier?«
»Nein, sie ist aus Omsk, hier ist sie bei ihrer Tante zuBesuch. Die Tante wohnt in einem Haus aus dem vorigen Jahrhundert, einer echten Isba.«
»Und was hat sie im Hotel gemacht?«
»Kaffee an der Bar getrunken.«
»Michael, sie ist doch nicht …«
»Nein«, versicherte Michael entschieden, »sie ist keine Prostituierte. Prostituierte sehen ganz anders aus und bändeln anders
an. Glaub mir, ich kenne mich da aus.«
»Hast du auf diesem Gebiet so viele Erfahrungen?«
»Jedenfalls mehr als du«, brummte Michael sarkastisch.
»Sascha, was sollen wir tun?« fragte Lena leise. »Er ist imstande und geht zu dieser Tussi.«
»Kriegst du’s mit der Angst zu tun? Wenn sie deinen alten Knaben kidnappen, wirst du endlich auf mich hören. Ich habe dich
gewarnt.«
»Hör auf, Sascha!« Lena war den Tränen nahe. »Das ist wirklich eine Nutte, und ganz offensichtlich ist sie auf ihn angesetzt.«
»Was du nicht sagst!« Im Rückspiegel sah man Saschas geheucheltes Entsetzen. »Darauf wäre ich nie gekommen! Naiv wie ich bin,
habe ich gedacht, der schönen Natascha hat es die schicke Glatze deines alten Knackers angetan. Nebenbei bemerkt, sie hat
ihn sehr professionell angebaggert. Das Mädchen ist Extra-Klasse, da kann man direkt neidisch werden. Nur eins hab ich nicht
kapiert – hält dein Professor sich tatsächlich für so unwiderstehlich? Er hat ja alles für bare Münze genommen.«
»Er ist einfach ein sehr geselliger Mensch, und gegen ein kleines Abenteuer hat er natürlich auch nichts. Und wenn dann eine
solche Schönheit aufkreuzt …«
»Ich glaube, sie wird ihn nicht enttäuschen und auch kein Geld von ihm nehmen«, bemerkte Sascha nachdenklich.
»Willst du etwa selber Michael zu dieser Mafia-Mieze fahren?« Lena lachte nervös auf.
»Aha, jetzt bin ich der böse Kuppler, der deinen kostbarenProfessor der Mafia ans Messer liefert.« Sascha kniff beleidigt die Lippen zusammen. »Warum so mißtrauisch? Du bist doch ein
kluges Köpfchen, streng deine kleinen grauen Zellen ein bißchen an!«
»Na schön, wie du meinst. Ihr wollt durch sie herausbekommen, wer …«
»Das tun wir schon.«
»Bestimmt redet ihr von mir altem Playboy, oder?« ließ sich Michael vernehmen.
»Worüber wohl sonst?« brummte Lena.
Unterwegs hielten sie an einem kleinen Markt und kauften einen Strauß weißer Rosen.
Das Altersheim lag am Stadtrand von Tobolsk. Es war ein vierstöckiges Ziegelsteingebäude, das an ein Krankenhaus oder eine
Schule erinnerte. Am Eingang hielt sie ein
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