Die leichten Schritte des Wahnsinns
außerdem hatte noch nie ein Mann
Veronikas Reizen widerstehen können. Sogar dieser dickfellige Bulle war zum Schluß weich geworden und hatte ihr den ganzen
Blödsinn abgekauft, den sie ihm aufgetischt hatte.
Nur ein Schnitzer war ihr unterlaufen – sie hatte versehentlich Regina erwähnt. Aber sie hatte es noch rechtzeitig gemerkt
und das Gespräch auf ein anderes Thema gelenkt. Den Namen hatte sie ihm nicht genannt, die Telefonnummer auch nicht. Sicher,
Regina hatte sie gebeten, überhaupt nichts über sie verlauten zu lassen, ein Psychotherapeut sei heute Gold wert, und so ein
Bulle würde sich die gute Gelegenheit bestimmt nicht entgehen lassen und ein paar Sitzungen umsonst haben wollen. Das hatte
Regina kristallklar vorausgesehen, dieser Sitschkin hatte die Gelegenheit tatsächlich sofort beim Schopf gepackt, der schlaue
Hund. Na, Schwamm drüber, es war ja noch mal gut gegangen.
Trotzdem, wer hatte wohl Juri abgemurkst? Diese blöden Bullen würden den Mörder nie finden. Wer tut schon was für ein so mickriges
Gehalt. Sie taten ja auch nichts, nahmen nur Schmiergeld und warteten darauf, daß irgendein einflußreicher Mann sie kaufte.
Es hieß ja, die meisten Killer seien Bullen, entweder machten sie beides gleichzeitig, oder sie tauschten ihr kümmerliches
Polizistendasein endgültig gegen den einträglichen, angesehenen und staubfreien Job des Auftragskillers. Diesen Sitschkin
hatte offensichtlich noch niemand gekauft – er war wohl zu nichts zu gebrauchen.
Geschickt hatte sie das mit den Schulden eingeflochten. Ein Köder, den Sitschkin mit Vergnügen geschluckt hatte. Jetzt würde
er hartnäckig nach Juris Gläubigern suchen. Nur zu!
In Wirklichkeit hatte Asarow gar keine Schulden, und er hatte auch nie Geld verliehen. Er war eben ein richtigerGeizkragen. Veronika hatte das nicht sofort gemerkt, erst nach ihrer siebten Begegnung, als sie sich so schrecklich in diesen
Ring mit dem kleinen Brillanten verliebt hatte. Natürlich hätte sie sich den Ring auch selber schenken können, er kostete
ja nur anderthalbtausend Dollar. Aber sich selbst einen Brillanten zu kaufen – das war ein schlechtes Omen. Brillanten sind
tückische Steine, die muß man geschenkt bekommen oder erben, sonst bringen sie Unglück.
Über Edelsteine wußte Veronika alles, denn sie liebte sie irrsinnig. Einen Brillanten muß einem der Geliebte schenken – das
gehört zum kleinen Einmaleins der Esoterik. So hatte sie es auch Asarow gesagt, als sie vor dem Juweliergeschäft »Traumprinzessin«
auf der Twerskaja-Straße hielten. Dort konnte man mit Kreditkarte bezahlen, und Asarow hatte in seiner Brieftasche gleich
drei davon. Trotzdem kaufte er Veronika keinen Ring, er ging nicht einmal mit ihr in den Laden, sondern blieb im Auto sitzen,
dieser elende Geizhals, und schämte sich nicht im geringsten dafür. Veronika mußte sich den Ring selber kaufen, denn sie wollte
ihn unbedingt haben, und in diesem Geschäft gab es genau so einen, wie Irka Moskwina ihn hatte, sogar noch schöner.
Veronika spuckte also auf alle Esoterik und kaufte den Ring. Sie nahm Asarow diesen Vorfall aber zutiefst übel. Am liebsten
hätte sie ihn zum Teufel gejagt, nur war der Zeitpunkt denkbar ungünstig – sie drehte gerade den dritten Videoclip mit ihm,
dafür gab es reichlich Knete. Außerdem war noch ein ganzes Video mit seinen Liedern geplant und ihren Augen, Lippen und Titten
dazu, also war ein Streit mit Asarow vorläufig nicht angebracht.
Sie hatte sogar mit Regina darüber geredet.
»Einen jungen Hitzkopf kriegst du leicht herum«, hatte Regina gesagt, »das ist uninteressant. Du mußt lernen, so einen wie
Asarow auszunehmen. Wenn du es schaffst, daß er für dich Geld ausgibt, dann hast du mit allen anderen leichtes Spiel. Also
halt ihn dir vorläufig warm.«
Aber der Brilli hatte doch Unglück gebracht, allerdings nicht Veronika, die ihn gekauft hatte, sondern Asarow, der zu knausrig
gewesen war. Er hatte eben ein schlechtes Karma gehabt, ein minderwertiges Karma. Aber das konnte man so einem Holzkopf aus
der Petrowka nicht erklären, der hatte das Wort sicher noch nie gehört.
Kapitel 7
Der blaue Volvo mit den abgetönten Scheiben rollte sanft vor das alte Kaufmannshaus im Zentrum Moskaus. Das Tor öffnete sich
geräuschlos, ließ den Wagen ein und schloß sich sofort wieder.
»Guten Abend, Regina Valentinowna!« Der bewaffnete Wachposten riß die Fahrertür weit auf und reichte
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