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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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beenden. Olga mischte sich vom zweiten Anschluß aus in das Gespräch ein.
    »Reg jetzt bitte Mama nicht auf«, bat sie ruhig.
    Katja wurde böse. Ihre stürmische Freude wich einem noch stürmischeren Zorn.
    »Ich rege niemanden auf! Es gibt mich doch überhaupt nicht! Vielleicht sollte ich mich entschuldigen, daß nicht ich anstelle
     von Mitja gestorben bin? Entschuldige, liebste Olga. Aber ihr alle sollt wissen: Mitja hat es nicht selbst getan. Man hat
     ihn ermordet.«
    »Hast du dir gerade eine Spritze gegeben und bist dann auf diese glorreiche Idee gekommen?« fragte Olga kalt.
    »Mein Gott, wie ich euch alle satt habe!« schrie Katja. »Ihr seht und hört nur euch selber. Begreif doch endlich: Dein Bruder
     ist ermordet worden, er hat sich nicht selbst erhängt!«
    »Gut«, seufzte Olga, »beruhige dich bitte, und erklär mir, wie du jetzt plötzlich darauf kommst.«
    »Ich denke ja gar nicht daran! Ich werde mich nicht beruhigen, und ich werde dir nichts sagen. Ich will überhaupt nicht mit
     dir reden.« In Katjas Stimme hörte man Tränen, sie schniefte kurz und platzte dann heraus: »Gib mir die Telefonnummer von
     Lena Poljanskaja!«
    »Wieso?« fragte Olga verwundert.
    »Sie hat versprochen, einen guten Drogenspezialisten für mich zu finden«, log Katja, ohne zu überlegen.
    »Willst du es noch einmal versuchen?« Olga fühlte sich plötzlich unbehaglich und dachte: Wirklich, ich darf nicht so hart
     mit ihr sein. Es geht ihr jetzt sehr schlecht, erheblich schlechter als mir. Sie ist ja ganz allein.
    »Stell dir vor, das will ich.« Katja schniefte wieder.
    »Gut, schreib sie dir auf. Vielleicht klappt es ja diesmal.« Olga diktierte ihr Lenas Telefonnummer, und Katja schrieb sie
     auf das Blatt, das sie in Mitjas Jackentasche gefunden hatte.
    »Du hast doch sicher kein Geld mehr«, sagte Olga sanft, »möchtest du, daß ich vorbeikomme und dir etwas zu essen bringe?«
    »Danke, ich komme schon klar«, lehnte Katja stolz ab.
    Lenas Anschluß war besetzt. Katja stöhnte fast vor Ungeduld. Sie wollte dringend mit jemandem reden, der ihr aufmerksam und
     mitfühlend zuhörte. Mit wem sonst könnte sie jetzt sprechen? Ja, natürlich, mit Regina Valentinowna. Wenn bei Lena besetzt
     war, mußte sie eben jemand anders anrufen. Vielleicht sollte sie wirklich noch einmal versuchen, von den Drogen loszukommen?
     Und mit wem, wenn nicht mit Regina Valentinowna, konnte sie das besprechen?
    Der Hörer wurde wie immer sofort nach dem ersten Freizeichen abgenommen.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Katja leise, »ich habe niemand sonst, mit dem ich darüber reden kann.«
    »Ist dir der Stoff ausgegangen?« Diesmal klang Reginas Stimme kalt und aufgebracht.
    »Ich habe noch drei Ampullen. Aber bald ist nichts mehr übrig. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Willst du, daß ich dir Geld gebe?«
    »Nein.« Katja wurde verlegen. »Ich wollte nur einen Rat. Soll ich vielleicht noch einmal ins Krankenhaus gehen?«
    »Du kannst es ja versuchen«, antwortete Regina gleichgültig.
    »Es ist sehr hart. Sogar in dem teuren Krankenhaus, in das Olga mich gebracht hat, war der Entzug kein bißchen abgemildert.
     Jetzt wird Olga sich mit mir keine Mühe mehr machen, und kostenlos komme ich nur in irgendeiner gräßlichen Klapsmühle unter.
     Dort stehe ich es nicht durch. Ich wollte Sie bitten, es gibt doch alle möglichen Wohlfahrtseinrichtungen, wo man Leuten wie
     mir hilft. Sie wissen doch sicher …«
    »Bist du wirklich fest entschlossen?«
    »Ich bin schon seit langem entschlossen, ich schaffe es nur einfach nicht. Sie haben ja selbst gesagt, ich habe einen sehr
     schwachen Willen.«
    »Und wieso glaubst du, daß dein Wille jetzt stärker geworden ist?«
    »Das glaube ich ja gar nicht. Aber ich weiß jetzt, daß ich es für Mitja tun muß. Natürlich, er ist tot, aber ich bin sicher,
     seiner Seele geht es besser, wenn ich aufhöre zu spritzen. Ich wollte Ihnen noch etwas sagen – ich habe es erst jetzt begriffen,
     in diesem Moment. Es ist sehr wichtig.« Katjas Stimme klang feierlich und geheimnisvoll. »Jemand ist in jener Nacht durchs
     Fenster in unsere Wohnung eingestiegen.«
    »Und wer soll das gewesen sein?« fragte Regina spöttisch.
    »Der Mörder«, erwiderte Katja flüsternd.
    »Das ist ja interessant, was für ein geheimnisvoller Mörder denn?«
    »Ich weiß es noch nicht. Aber daß er durchs Fenster gekommen ist, weiß ich sicher.«
    »Willst du Sherlock Holmes spielen?«
    »Sie glauben mir also auch nicht!«

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