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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hundertste Lebensjahr überschreiten… sehr… sehr selten!… In deren Interesse sollten wir allerdings ihr Leben abzukürzen suchen! Eben aus genannter Ursache erfreut sich ja unsere Gesellschaft einer so hohen Blüthe. Nein, ich wiederhole Ihnen, mein Herr, wer sich in der »Hundertjährigen« einkauft, gewinnt damit fast die Gewißheit, selbst ein solcher Hundertjähriger zu werden!
    – So!« bemerkte Kin-Fo gelassen, indem er William J. Bidulph mit frostigen Blicken musterte.
    Der Generalagent, der so ernsthaft sprach wie ein Minister, hatte aber gar nicht das Aussehen, als könne er jemals scherzen.
    »Sei dem, wie ihm wolle, fuhr Kin-Fo nach kurzer Unterbrechung fort, ich möchte mich mit 200.000 Dollars versichern.
    – Ganz recht! Wir sagen also für ein Capital von 200.000 Dollars!« antwortete William J. Bidulph ebenso ruhig.
    Und er notirte die Zahl in seinem Buche, als hätte es sich um zehn Dollars gehandelt.
    »Es ist Ihnen bekannt, fügte er hinzu, daß die Versicherung erlischt und die bezahlten Prämien, ohne Rücksicht auf deren Betrag, der Gesellschaft verfallen, wenn die Person, auf deren Kopf die Versicherung lautet, durch die That des über die stattgefundene Versicherung unterrichteten Erbberechtigten um’s Leben kommt?
    – Das weiß ich.
    – Und welche Risiken gedenken Sie zu versichern, geehrter Herr?
    – Alle.
    – Die Gefahren der Reise zu Land und Wasser und auch die eines Aufenthaltes außerhalb der Grenzen des Himmlischen Reiches?
    – Ja.
    – Das Risico eines gerichtlichen Todesurtheils.
    – Gewiß.
    – Das eines Zweikampfes?
    – Ebenso.
    – Das Risico des Militärdienstes?
    – Ja wohl.
    – Dann wird die Prämie aber ziemlich hoch ausfallen?
    – Mag sein, ich bezahle sie.
    – Wie Sie wünschen.
    – Aber, begann Kin-Fo, es giebt ja noch ein Risico, von dem Sie kein Wort erwähnen.
    – Und das wäre?
    – Der Selbstmord; ich glaubte, die Statuten der »Hundertjährigen« ließen auch eine Versicherung hiergegen zu.
    – Ei freilich, mein Herr, ganz gewiß, antwortete William J. Bidulph, der sich schon die Hände rieb. Das ist sogar unsere reichste Einnahmequelle. Sie begreifen, daß unsere Clienten gewöhnlich Leute sind, die gar sehr am Leben hängen, und gerade Diejenigen, welche sich aus übergroßer Vorsicht auch gegen Selbstmord versichern, legen so gut wie niemals Hand an sich.
    – Das gilt mir gleich, antwortete Kin-Fo. Aus persönlichen Gründen will ich mich auch gegen dieses Risico sicher stellen.
    – Ganz nach Wunsch; doch steigt damit natürlich auch die Prämie beträchtlich.
    – Ich wiederhole Ihnen, daß ich bezahlen werde, was Sie fordern.
    – Einverstanden. – Wir sagen also, murmelte William J. Bidulph, der seine Notizen vervollständigte, gegen das Risico der See-und Landgefahren, des Selbstmordes…
    – Nun, und was habe ich in diesem Falle an Prämie zu entrichten? fragte Kin-Fo.
    – Mein lieber Herr, antwortete der Generalagent, unsere Prämien sind mit mathematischer Genauigkeit berechnet, was unsere Gesellschaft ruhmvoll auszeichnet. Sie beruhen nicht mehr, wie das früher der Fall war, auf den Sterblichkeitstafeln von Deparcieux… ah, kennen Sie Deparcieux?
    – Nein, ich kenne Deparcieux nicht.
    – Ein hervorragender Statistiker, aber schon alt… so alt, daß er sogar schon gestorben ist. Zur Zeit als er seine weltbekannten Tafeln veröffentlichte, welche noch den meisten europäischen Gesellschaften als Unterlage dienen, war die mittlere Lebensdauer eine kürzere als heute – eine Folge des allseitigen Fortschreitens der Menschheit. Wir dagegen nehmen also eine höhere mittlere Lebensdauer an und bieten den Versicherten, der eine geringere Prämie bezahlt und länger lebt, unleugbare Vortheile.
    – Wie hoch beläuft sich meine Prämie? fragte Kin-Fo noch einmal, in der Absicht, den wortreichen Agenten, der keine Gelegenheit vorübergehen ließ, ohne das Lob der »Hundertjährigen« mit vollen Backen zu preisen, endlich zum Schweigen zu bringen.
    – Zur Beantwortung dieser Frage, mein Herr, muß ich mir die indiscrete Frage erlauben: Wie alt sind Sie jetzt?
    – Einunddreißig Jahre.
    – Nun dann, bei jeder anderen Gesellschaft würden Sie in einem Alter von einunddreißig Jahren, wenn es sich nur um Versicherung der gewöhnlichen Risiken handelte, zwei und dreiundachtzig Hundertel Procent entrichten müssen. Bei der »Hundertjährigen« beträgt die Prämie nur zwei und sieben Zehntel Procent, das ergiebt für ein Capital von

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