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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gegend ist der Peï-Ho noch nicht besonders breit. (S. 148.)
     
    Die »Sam-Yep« war eine seetüchtige Dschonke von etwa dreihundert Tonnen Tragfähigkeit. Solche Schiffe giebt es in großer Anzahl, und ihr Tiefgang von nur sechs Fuß gestattet ihnen mit Bequemlichkeit, über die Sandbänke am Eingange der chinesischen Ströme hinwegzugleiten.
    Zu lang für ihre Breite, segeln sie schlecht, außer ganz dicht am Winde, aber wenden auf der Stelle, wie sich ein Kreisel dreht. Die Fläche ihres ungeheuren Steuers ist nach einer in China sehr beliebten Methode vielfach durchlöchert, eine Einrichtung, deren Vorzüge wohl mit Recht anzufechten sind. Doch, wie dem auch sei, diese geräumigen Fahrzeuge wagen sich ungestraft auf die Meere längs der Küsten.
    Man erzählt sogar, das eine solche, von einem Handelshause in Canton geheuerte Dschonke unter dem Befehle eines amerikanischen Kapitäns eine Ladung Thee und Porzellan nach San-Francisco gebracht habe. Jedenfalls ist es außer Zweifel, daß sich diese Schiffe auf dem Meere gut bewähren, eine Ansicht, in der alle Sachverständigen übereinstimmen, während man die Chinesen im Allgemeinen für sehr gute Seeleute hält.
    Die »Sam-Yep« erinnerte bei ihrer modernen Construction mit ziemlich geradem Vorder-und Hintersteven mehr an die europäischen Schiffe. Sie war ohne Mithilfe von Nägeln und Schrauben aus Bambus hergestellt, mit Werg und Cambodje-Harz kalfatert und so wasserdicht, daß sie nicht einmal eine Pumpe besaß. In Folge ihrer Leichtigkeit schwamm sie wie ein Stück Kork auf den Wellen. Uebrigens führte sie einen Anker aus sehr hartem Holz, ungemein festes und doch geschmeidiges Tauwerk aus Palmenfasern, Segelwerk, das vom Verdeck aus gestellt und einem Fächer ähnlich ausgebreitet oder zusammengefaltet wurde, ferner zwei Maste, entsprechend etwa dem Großmast und dem Besan eines Luggers, außerdem hatte sie kein Uebergewicht nach dem Stern zu, war aber in ihrer Art trefflich ausgerüstet und für die Küstenfahrt gewiß ganz geeignet.
    Niemand hätte der »Sam-Yep« von außen angesehen, daß sie für diese Reise von ihren Rhedern zu einem ungeheuren Leichenwagen umgewandelt worden war.
    In der That trat an Stelle der Theekisten, Seidenballen und der Nebenfracht von chinesischen Specereien diesmal die erwähnte Ladung von Särgen. Dabei behielt jedoch die Dschonke den früheren lebhaften Farbenschmuck unverändert bei. Am Vorder-und am Hintertheile wehten lustige Oriflammen und vielfarbige Flaggen. Ganz vorn saß ein großes, blitzesprühendes Auge, das ihr das Aussehen eines gigantischen Ungeheuers gab. Vom Top der Masten wehte das leuchtende Flaggentuch Chinas. Ueber die Schanzkleidung lugten die Mündungen zweier kurzer Schiffskanonen heraus, die in der Sonne wie ein Spiegel glänzten – in diesem von Seeräubern belästigten Meere gewiß ganz nützliche und nothwendige Beigaben, Alles, was man sah, machte einen angenehmen, fast erheiternden Eindruck. Die »Sam-Yep« rüstete sich ja gewissermaßen zu einer Heimreise – freilich eine Heimreise mit Leichnamen, doch sozusagen mit zufriedenen stummen Leuten.
    Kin-Fo und Soun stießen sich, als geborne Chinesen, an diesem Umstande nicht im mindesten. Craig und Fry, welchen diese Art Fracht, sowie Vielen ihrer Landsleute, einen gewissen Widerwillen einflößte, hätten wohl gern ein anderes Handelsschiff zur Ueberfahrt gewählt, mußten sich jedoch dem Zwange der Umstände fügen.
    Die ganze, übrigens zur Führung der Dschonke hinreichende Besatzung bestand aus einem Kapitän und sechs Mann. Der Compaß soll der Sage nach in China erfunden worden sein. Das ist möglich; gewiß ist aber, daß die Küstenfahrer auf denselben verzichten und nach ihrem Gutdünken steuern. Kapitän Yin, ein kleiner, stets lächelnder, lebhafter und geschwätziger Mann, war der lebende Beweis des vergeblich gesuchten
Perpetuum mobile
. Er konnte an keiner Stelle bleiben und kein Glied des Körpers still halten. Seine Arme, Hände und Augen sprachen fast noch mehr als die Zunge, welche übrigens hinter der hübschen Reihe weißer Zähne so gut wie niemals zur Ruhe kam. Er schalt auf seine Leute, rief sie mit groben Worten an und behandelte sie überhaupt nicht freundlich; dagegen war er ein tüchtiger, bezüglich der Fahrt an diesen Küsten sehr erfahrener Seemann, der seine Dschonke dirigirte, als hätte er sie zwischen den Fingern gehabt. Der ziemlich hohe Preis, den Kin-Fo für sich und seine Leute bezahlt hatte, vermehrte

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