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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Friedhofs erinnerte.
    Schon wollten sie wieder nach dem Deck hinaufsteigen, als ein leises Geräusch ihre Aufmerksamkeit fesselte.
    »Wahrscheinlich eine Ratte! sagte Craig.
    – Was könnte es weiter sein? antwortete Fry.
    – Eine Ratte unter Leichen! Eine Ladung Hirse, Reis oder Mais würde ihr wohl lieber gewesen sein!«
    Das Geräusch hielt an. Man hörte es etwa in Menschenhöhe, es mußte also aus der oberen Sargreihe herrühren. Es klang, als knabberten spitzige Zähne an Holz, oder als scharrten Fingernägel an einem der Deckel.
    »Frrr! Frrr!« machten Craig und Fry.
    Das Scharren dauerte fort.
    Die beiden Agenten schlichen näher und lauschten mit verhaltenem Athem. Offenbar kam das Geräusch aus dem Innern eines der Särge her.
    Sollten sie hier etwa einen nur scheintodten Chinesen mit verladen haben?…. meinte Craig.
    – Der nach einer Ueberfahrt von fünf Wochen nun wieder erwachte?« fügte Fry hinzu.
    Sie legten damit die Hand auf den verdächtigen Sarg und überzeugten sich, daß sich darin etwas bewegte.
    »Zum Teufel! raunte Craig.
    – Zum Kukuk!« murmelte Fry.
    Natürlich kam ihnen ganz gleichzeitig der Gedanke, daß ihrem Clienten hieraus irgend eine Gefahr erwachsen könne.
    Sie zogen die Hand zurück und fühlten, wie sich der Deckel des betreffenden Sarges langsam erhob.
    Craig und Fry, zwei Leute, welche eigentlich nichts zu erschrecken vermochte, blieben stehen und horchten, da sie in der hier herrschenden Dunkelheit nichts deutlich sehen konnten, nicht ohne eine gewisse Beängstigung.
    »Bist Du es, Kuo?« flüsterte eine Stimme vorsichtig.
    Fast in demselben Augenblicke öffnete sich auch ein Sarg am Backbord.
    »Bist Du es, Fa-Kim?«
    Darauf hörte man noch folgendes, flüchtige leise Gespräch:
    »Also diese Nacht?….
    – Ja, in dieser Nacht.
    – Bevor der Mond aufgeht?
    – In der zweiten Wache.
    – Und unsere Genossen?
    – Sind über Alles unterrichtet.
    – Sechsunddreißig Stunden im Sarge – ich hab’ es satt.
    – Ich noch mehr.
    – Doch Lao-Shen wollte es so!
    – Still! Still!«
    Als Craig-Fry den gefürchteten Namen des Taï-Ping vernahmen, überlief sie, so sehr sie sich sonst beherrschten, doch ein gewisser Schauer.
    Die beiden Deckel waren wieder auf die länglichen Kisten herabgesunken. In dem Raume der »Sam-Yep« herrschte wieder die Ruhe des Grabes.
    Vorsichtig schlichen Craig-Fry durch den freien Gang und klommen an den Deckstützen hinaus. Sofort begaben sie sich hinter das Volkslogis, wo sie Niemand hören konnte.
    »Todte, welche sprechen…. begann Craig.
    – Sind eben nicht todt!« schloß Fry den Satz.
    Der Name Lao-Shen hatte ihnen Alles offenbart.
    Es hatten sich also Helfershelfer des schrecklichen Taï-Ping an Bord mit eingeschlichen. Konnte man angesichts dieser Thatsachen zweifeln, daß Kapitän Yin, seine Mannschaft, die Rheder im Hafen von Taku, welche die Ladung Leichen verschifft hatten, nicht unter einer Decke spielten? Gewiß nicht! Nach Löschung des amerikanischen Schiffes, das die Särge von San-Francisco brachte, hatten diese einige Tage auf dem Lager des Hafenortes gestanden. Ein Dutzend, vielleicht noch mehr Mitglieder von Lao-Shen’s Räuberbande stahlen von dort die Särge, entleerten dieselben und nahmen dafür selbst in jenen Platz. Um diesen Streich aber auf Veranlassung ihres Chefs auszuführen, mußten sie doch wohl davon Kenntniß haben, daß Kin-Fo sich ebenfalls auf der »Sam-Yep« einschiffen werde. Wie in aller Welt hatten sie das erfahren können?
    Das blieb ein dunkler Punkt, welchen aufzuhellen jetzt nicht die geeignete Zeit schien.
    Das eine stand ja fest, daß sich eine Anzahl Chinesen der schlimmsten Sorte seit der Abfahrt aus Taku an Bord der Dschonke befand, daß von einem derselben Lao-Shen’s Name genannt worden war und daß Kin-Fo’s Leben jetzt die furchtbarste nahe bevorstehende Gefahr drohte.
    Die heutige Nacht, die Nacht vom 28. zum 29. Juni, sollte der »Hundertjährigen« noch zweihunderttausend Dollars kosten, während die Gesellschaft fünfundvierzig Stunden später, wenn die Police bis dahin nicht erneuert war, den Rechtsnachfolgern ihres gefährlichen Clienten keinen Cent zu zahlen hatte.
    Man würde Craig und Fry sehr falsch beurtheilen, wenn man glaubte, daß sie in so bedrohter Lage etwa gar den Kopf verloren hätten. Sie blieben keine Minute unschlüssig; Kin-Fo mußte gezwungen werden, vor der zweiten Wache die Dschonke zu verlassen und mit ihnen zu entfliehen.
    Doch wie? Sollte man sich des

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