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Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)

Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)

Titel: Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Mack
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seine Haushaltsbücher. Und Antoscha ist ständig am Kritzeln. Ich glaube, er schreibt ein Buch über die Geschichte des Rudels.»
    «Das aus vielerlei Gründen niemals veröffentlicht werden wird», ergänzte Semjon.
    «So oder so, die beiden sind die Einzigen, die ständig da sind. Du musst also mit mir reden, wenn mir der Sinn nach Zerstreuung steht.»
    «Ich werde mein Bestes tun», sagte er lachend.
    Natalja nickte, brach ein weiteres Stück von dem Brot ab und bestrich es mit Marmelade – fast so, als müsste sie sich für die nächste Runde Klatsch und Tratsch erst einmal stärken. «Wenn diese Angelica dir den Mantel abgenommen hat, dann hat sie ihn dir doch bestimmt auch wiedergegeben», meinte sie listig. «Du hast also zweimal mit ihr gesprochen.»
    «Nein. Bei unserer zweiten Begegnung habe ich nicht mit ihr gesprochen.»
    «Wieso denn nicht?»
    «Sie war auf einem Haufen aus Pelzen eingeschlafen. Dabei hielt sie eine Rose in der Hand.»
    Natalja seufzte. «Armes Ding. Aber anscheinend hat sie noch weitere Bewunderer außer dir.»
    Ihre kluge Bemerkung traf den Nagel auf den Kopf – und Semjon wusste, dass sie das auch genau spürte. «Ja, aber das tut doch jetzt nichts zur Sache», erklärte er knapp. «Ich habe mir meinen Mantel selbst genommen und unsere schlafende Schönheit dem Diener überlassen.»
    «Wirst du sie wiedersehen?», fragte Natalja arglos.
    Semjon hätte ihr am liebsten auf ebenso kluge Weise geantwortet, stellte aber zu seiner Überraschung fest, dass er das irgendwie nicht übers Herz brachte. Er sah Natalja direkt in die weitgeöffneten, fragenden Augen und sagte nur ein Wort: «Ja.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Zwei
In derselben Nacht …
    Als Angelica endlich erwachte, befand sie sich nicht mehr an dem Ort, an dem sie eingeschlafen war. Der verhängte Raum im Haus der Congreves mit seinen Wänden, Möbeln und den Mänteln und Pelzen, die man ihrer Obhut überlassen hatte, war so vollständig verschwunden, als hätte sie jedes einzelne Detail nur geträumt.
    Jemand war in den Raum getreten. Ein Mann. Aber wer? Sie versuchte nachzudenken. Doch aus irgendeinem Grund war ihr Verstand genauso verschwommen wie ihre Sicht. Als sie sich umsah, stellte die junge Frau fest, dass sie auf einem nackten Holzfußboden lag. Ihr Fußknöchel steckte in einer Manschette aus kaltem Eisen, an der eine Kette rasselte, die wiederum an einem Haken befestigt war, den man in einen Balken getrieben hatte. Der Raum war nur schwach von einer Kerze beleuchtet, deren Licht von einer recht entfernten Ecke aus kreisende Schatten an die Wand warf.
    Wer hatte sie hierhergebracht? Doch nicht der attraktive Mann mit dem fremdländischen Namen, der ihr seinen Mantel gegeben hatte. Und auch nicht der Diener Jack, der im Laufe des Abends mehrere Armladungen Damenbekleidung hin- und hergetragen hatte.
    Nein. Es war jemand anderer gewesen. Ein älterer Mann. Jemand, den sie für einen Gast hielt, der sich verlaufen hatte. Genauso wie Semjon.
    Als Angelica die Fäuste ballte, spürte sie, wie etwas Spitzes in ihre Handfläche stach. Sie hob die Hand und sah, dass sie eine langstielige rote Rose darin hielt. Und ganz plötzlich kehrte nach und nach ihre Erinnerung zurück.
    Der ältere Mann war kurz nach Simon gekommen – Semjon, korrigierte sie sich selbst. Richtig, er hatte Semjon Taruskin geheißen. Sie hatte seinen Namen auf einem Stück Papier notiert und ihn in die Tasche seines Mantels gesteckt. Nur für den Fall, dass vielleicht noch ein anderer Mann mit einem ähnlichen Mantel auftauchen sollte. Sie erinnerte sich vage daran, dass sie ihm genau das auch gesagt hatte.
    Ihr war es sogar gelungen, seinen Namen richtig zu schreiben – eine Tatsache, die ihn durchaus überrascht zu haben schien. Dabei hatte sie bereits von ihm gehört, denn Semjon eilte ein verwegener Ruf voraus. Ein Ruf, um den die Männer ihn beneideten und der die Damen zum Seufzen brachte.
    Je länger sie die Rose in der Hand hielt, desto mehr schienen sich die nebulösen Schichten ihrer Erinnerung zu lüften. Sie stach sich erneut mit einem Dorn in die Handfläche, um ihrem Gedächtnis noch weiter auf die Sprünge zu helfen. Dabei war es ihr völlig egal, dass ein kleines Rinnsal Blut aus der ersten Wunde auf ihr weißes Kleid tropfte, das sich um ihren schmerzenden Körper schlang.
    Semjons plötzliches Auftauchen hatte sie aufs höchste erschreckt. Doch als der zweite Mann – der ältere – durch den Vorhang trat, hatte ihre

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