Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)
diversen Gläsern einige getrocknete Kräuter und warf sie in die Teekanne. Hinzu kamen frischgemahlener Pfeffer und zu guter Letzt ein paar getrocknete Zweige aus einem Tongefäß, das mit einem Korken verschlossen war.
Semjon hatte keine Ahnung, worum es sich bei den getrockneten Dingen handelte, aber Nataljas Zaubermittel trank man am besten mit geschlossenen Augen und zugehaltener Nase. Doch sie taten ihr Werk.
Als der Kessel zu pfeifen begann, goss sie das kochende Wasser in die Teekanne und roch wohlwollend daran. Semjon verzog das Gesicht zu einer Grimasse, verbarg seinen Widerwillen allerdings vor ihr. «Das muss jetzt erst mal ziehen», erklärte sie.
Danach unterhielten sich die beiden recht angeregt über die Vorkommnisse auf dem Ball und kamen irgendwann schließlich erneut auf den Mann zu sprechen, der während Semjons Abwesenheit nach ihm gefragt hatte.
«Hat er eine Karte hinterlassen, Natalja?», fragte er.
Sie schüttelte den Kopf, während sie den Heiltrank in einen großen Becher goss.
«Was hat er denn genau gesagt?»
«Nicht viel. Nur, dass er hoffte, du würdest morgen hier sein. Das war die einzige Nachricht.»
«Also nichts Schriftliches, hm?»
«Nein. Ich nehme an, er wollte dich persönlich sprechen.»
Semjon zuckte gleichgültig mit den Schultern. «Wenn er sich wieder meldet, werde ich das wohl auch tun. Ich hoffe nur, er ist harmlos.» Er gähnte ausgiebig, und als seine zusammengerollte Zunge an den Gaumen stieß, waren ganz plötzlich die Fangzähne zu sehen, die das Markenzeichen der Rudel-Männer waren.
Natalja tat so, als wäre sie schockiert. «Jag mir doch nicht solche Angst ein, Semjon.»
Er lächelte müde. Die Auswirkungen des Schnapses ließen langsam nach. «Entschuldige. Aber du hast ja deinen lieben Ehegatten Iwan, der dich beschützt, nicht wahr?»
«Iwan schläft tief und fest. Kannst du ihn nicht schnarchen hören?» Sie zeigte vage in Richtung des Schlafzimmers, das dem Hausvorsteher und seiner Frau zugeteilt war.
«Nein. Und das ist auch ganz gut so.»
Sie lachte und schob ihm den Becher mit dem widerlich riechenden Gebräu zu. «Muss ich wirklich?», fragte er stöhnend.
«Ja.» Sie stemmte die Hände in ihre sehr weiblichen Hüften und sah ihn voller Strenge an. «Und zwar vor meinen Augen.»
Seine Mundwinkel zuckten, als er daran dachte, wie sehr er es unter ganz anderen Umständen genossen hatte, jemanden vor seinen Augen zu haben. Sollte er Natalja von der schlafenden Hausangestellten erzählen? Er könnte die Geschichte ein wenig ausschmücken, um sie zu amüsieren. Die lüsterne Phantasie, die ihn beim Anblick der schlafenden Schönheit überkommen hatte, würde er natürlich weglassen. Auf jeden Fall würde er seinen Eindruck betonen, dass Angelica Harrow für eine Hausangestellte viel zu wohlerzogen war, und auch, dass in ihren Augen eine gewisse Traurigkeit zu erkennen gewesen war. Eine wunderschöne Heldin mit diesen beiden Qualitäten klang eigentlich wie der Beginn eines Märchens, und seine Erzählung über ihre kurze Begegnung würde Natalja sicher gefallen. Wenn sie nicht gerade ihrem ungestümen Temperament nachgab, war sie nämlich durchaus sentimental.
Also begann er in der Hoffnung, die junge Russin irgendwie abzulenken, ihr die Geschichte von Angelica zu erzählen. Zwischendurch nahm er mürrisch einen Schluck aus seinem Becher. Er hätte am liebsten gespuckt, behielt das Gebräu allerdings tatsächlich bei sich.
«Alles», wies Natalja ihn an.
«Von dem Gebräu oder der Geschichte?»
«Erst austrinken», schimpfte sie.
Semjon hob seufzend den Becher und hielt sich die Nase zu, während er das sehr heiße Getränk in seinen Mund schüttete und es wie ein Kutscher in einer Schänke in einem Zug austrank. Er keuchte, als er den Becher auf den Tisch knallte, und wischte sich die Tränen weg, die ihm aus den Augen liefen.
«Sehr gut», erklärte sie und war ganz offensichtlich höchst zufrieden mit ihm. «Das hätten wir hinter uns gebracht.»
«Ich habe das ungute Gefühl, du hast mich gerade vergiftet», sagte er mit schwacher Stimme. «Schick doch Rosen zu meiner Beerdigung, wenn du so freundlich wärst.»
«Welche Farbe hättest du denn gern?»
«Äh, rot.»
«Unter gar keinen Umständen. Rote Rosen sind etwas für Liebespaare. Nein, ich finde, für dich wäre ein geisterhafter Strauß weißer Lilien genau das Richtige.»
«Aber es ist mitten im Winter.» Er räusperte sich, um des sauren Nachgeschmacks in seinem Mund
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