Die Leidenschaft des Cervantes
zu sehr dem Wein zugesprochen, um den Rest der hochfliegenden Zeilen, zu denen mein »Heldenmut« sie inspiriert hatte, noch gebührend zu würdigen. Das Ende der Rezitation wurde von donnerndem Applaus begleitet.
»Ach, Don Miguel«, klagte der Pfarrer, »leider schreibt Doña Juana bloß ein Gedicht im Jahr, weil sie lediglich die denkwürdigsten Momente festhält, die in unserem Ort passieren. Schriebe sie nur mit der Schaffensfreude Lopes, ich sage Euch, dann könnte Spanien sich rühmen, der Geburtsort der Zehnten Muse zu sein.«
Nach seinen Worte folgten weitere Trinksprüche auf mich, auf die Dichtung und auf Doña Juana.
Als ich bereits einige Tage in Esquivias war, bat ich meine Gastgeberin, mir den Weg zum Haus von Sancho Panzas Familie zu beschreiben, und am Nachmittag brach ich auf, um seiner Frau und seiner Tochter einen Besuch abzustatten.
»Geht am Ortsende an der Kapelle vorbei und bleibt auf dem Weg, der daran vorbeiführt, bis Ihr zu einer Senke kommt«, hatte Doña Juana gesagt. »Da seht Ihr zu Eurer Rechten einen Felsen. Biegt scharf rechts ab und folgt ein kurzes Stück dem schmalen Pfad. Ihr könnt das Haus nicht verfehlen, in der Nähe gibt es kein anderes.«
Die Kapelle, zu der sie mir den Weg gewiesen hatte, war ein schlichter rechteckiger Kalksteinbau mit einem niedrigen Glockenturm obenauf. In die Tür war ein bloßes Kreuz geschnitzt. Das asketische Bauwerk war so bezwingend und abweisend wie die trockene Landschaft, in der es stand.
Der Wegbeschreibung folgend, ging ich unter der warmen Sonne einen von Kieseln übersäten, staubigen Pfad entlang, der zu einem aus Steinen gebauten rombo führte. Davor wuchsen ein paar Rebstöcke, die bereits abgeerntet waren. Gluckende Hühner pickten in der roten Erde des Hofs, ein auf Stelzen stehender Käfig beherbergte ein paar fette Kaninchen. »Guten Nachmittag«, rief ich.
Eine füllige ältere Frau mit offenem, ungekämmtem Haar und hängenden Brüsten, die von einer Bluse unbestimmter Farbe bedeckt – aber nicht verborgen – wurden, erschien in der Tür. Ihr Gesicht war verschwitzt und rot, als verbringe sie jeden Tag lange Zeit in der Nähe glühender Kohlen.
»Doña Teresa Panza?«, fragte ich.
»Zu Diensten, Euer Ehren.« Sie sah mich mit misstrauischem Blick an, als sei sie es nicht gewöhnt, Besucher zu empfangen.
Ich nannte ihr meinen Namen. »Ich bin zu Gast bei Doña Juana Gaitán und bin gekommen, um Ihr meine Aufwartung zu machen. Ich habe Ihren Mann Sancho in Algier kennengelernt, als wir beide dort im bagnio gefangen waren.«
Der Ausdruck auf Doña Teresas Gesicht ging von Verwunderung schlagartig in strahlende Freude über. Sie wischte sich die Hände an ihrem schmuddeligen Rock ab, lief zu mir und sank auf die Knie.
»Gestattet dieser einfachen Frau, Euch die Hände zu küssen, Hochwohlgeboren«, sagte sie, packte meine gute Hand und wusch sie mit Tränen.
»Meine gute Doña Teresa«, sagte ich, »bitte steh Sie auf. Es ist meine Ehre, die Frau meines lieben Freundes kennenzulernen.«
»Ich habe seit vielen Jahren schon nichts mehr von meinem guten, aufrechten Mann gehört«, sagte sie und erhob sich. Unter Tränen fügte sie hinzu: »Ich verfluche den Tag, an dem mein Sancho nach Malaga ging, um für Seine Exzellenz den Grafen zu arbeiten. Nahe der Stadt wurde er von den gottlosen afrikanischen Korsaren verschleppt. Bitte entschuldigt mein Aussehen, ich habe gerade gebügelt. Aber steht nicht nur dort, bitte tretet ein in unser bescheidenes Häuschen, das auch das Eure ist. Mi casa es su casa .«
Im Inneren des rombo war es fast dunkel, bis auf ein Feuer, daneben ein Tisch, der zum Bügeln diente. Auf dem gestampften Erdboden stand ein großer Korb zum Überquellen voll mit gewaschener Wäsche. Doña Teresa schaute sich um und fand einen Holzstuhl, den sie mir anbot.
»Darf ich Euch einen Becher unseres Weins anbieten? Sehr erfrischend um diese Tageszeit.«
Ich setzte mich auf den gebrechlichen Stuhl und nahm ihr Angebot dankend an. Sie füllte zwei Zinnbecher, zog unter dem Bügeltisch einen Schemel hervor und ließ sich mit ihrem beträchtlichen Gesäß darauf nieder.
»Und jetzt sagt, Don Miguel, welche Neuigkeiten habt Ihr von meinem Sancho?«
Ich erzählte ihr von dem letzten Mal, als ich ihn gesehen hatte, und dass ich immer mit Zuneigung und Dankbarkeit an ihn dachte. »Ohne Ihren Mann hätte ich die ersten Jahre in Algier nicht überlebt«, schloss ich.
»Das ist mein Sancho.« Teresa Panza seufzte,
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