Die Leidenschaft des Cervantes
und ihre Augen wurden wieder feucht. »Er ist ein einfacher Mann, aber er ist aus Gold, wie die Krone des Königs.«
Von draußen drangen Geräusche herein, als fände dort ein Aufruhr statt. Ich hörte grunzende Schweine und die Stimme einer jungen Frau, die auf sie einredete. »Komm her, du Teufel. Was glaubst du, wohin du gehst, du Fettsack? Rein mir dir in den Pferch, sonst setzt’s was auf die Backen.«
»Das ist meine Tochter Sanchica. Sie ist der größte Segen meines Lebens, das größte Glück, das mein Mann mir hinterließ.« Ohne aufzustehen brüllte sie: »Komm rein, meine Tochter, und mach’s eilig! Wir haben einen Gast.«
Ein Mädchen, ohne Schuhe an den Füßen, kam herein. Selbst aus der Entfernung roch ich den Dung an ihr. Ihre Wangen waren rot vom Straßenstaub, ihre Kleider sahen aus, als habe sie sich im Dreck gewälzt, ihre Füße hatten einen dunklen Farbton angenommen. Über der Oberlippe hatte sie einen schwarzen Leberfleck, der aussah, als klebte ihr ein toter Käfer im Gesicht. »Ich habe gerade die Schweine heimgetrieben und wollte ihnen das Futter hinstellen. Die große Sau wird bald ihre Ferkel rausschmeißen«, sagte Sanchica zu ihrer Mutter. »Mutter, wer ist dieser Herr?«, fragte sie dann und musterte mich.
Teresa erklärte, wer ich war, und sagte zu mir: »Sanchica hütet Doña Juanas Schweine. Wir arbeiten alle für ihre Familie. Diese Hände« – sie waren groß und rot, fast wundgescheuert – »waschen die Wäsche von Doña Juanas Familie, seit ich ein kleines Mädchen war. Und vor mir meine Mutter. Unsere ganze Familie arbeitet, solange irgendjemand denken kann, in treuen Diensten der Gaitáns. Bevor mein Sancho für den Graf arbeitete und mir auf so grausame Weise weggenommen wurde, hat er ihre Ziegen gehütet.«
» Signor , ich war ein kleines Kind, als die türkischen Teufel mir meinen Vater wegnahmen«, warf Sanchica ein. »Aber ich erinnere mich an ihn, als hätte ich ihn heute morgen noch gesehen. Es heißt ja: ›Aus den Augen, aus dem Sinn‹, aber nicht bei uns.«
»Euer Gnaden«, sagte Doña Teresa, »wir Panzas glauben fest daran, dass die Liebe mit der Ferne wächst.«
Offenbar lag es in der Familie, Sprichwörter zu verwenden.
»Was habt Ihr für Nachrichten von meinem Vater, Signor ? Erzählt mir, wie es war, als Ihr ihn das letzte Mal gesehen habt.« Sanchica setzte sich im Schneidersitz auf den Boden zu meinen Füßen und zog sich den zerrissenen Rock über die Knie. Sie war nicht älter als fünfzehn und strotzte von der Kraft einer jungen Stute. Sie wäre hübsch gewesen, wenn sie die Nesseln und das Heu aus ihrem verfilzten schwarzen Haar gebürstet, sich das Gesicht gewaschen, die Trauerränder unter den Nägeln entfernt, einen richtigen Rock angezogen und sich die langen schwarzen Zehennägel geschnitten hätte.
Ich erzählte ihr eine verkürzte Version dessen, was ich bereits ihrer Mutter berichtet hatte.
Als ich geendet hatte, fragte Teresa Panza: »Sagt, Don Miguel, lacht mein Mann immer noch so viel wie früher?«
Ich erzählte ihr, dass er mich oft zum Lachen gebracht hatte und immer fröhlich und optimistisch gewesen war.
»Solange er seinen Sinn für Humor nicht verloren hat, überlebt er alle Widrigkeiten. Denn es stimmt, Lachen ist die beste Medizin. Lachen erhellt den dunkelsten Tunnel und lässt einen Kanten altes Brot schmecken wie einen gebratenen Fasan.«
Und dann berichtete Teresa mir von den neuesten Informationen, die sie über meinen Freund bekommen hatte. Ein Mönch unterwegs nach Toledo hatte sie aufgesucht und ihr eine Nachricht von Sancho überbracht. »Auf dem Rückweg nach Spanien hat er meinen Mann in irgendeiner schrecklichen Wüste jenseits des Meeres getroffen. Sancho schickte ihn mit der Kette, die Ihr um meinen Hals seht, zu mir. Ich zeigte sie allen im Dorf, die sich mit solchen Sachen auskennen, und die sagten, es wären Salzklumpen. Und sie schmecken wirklich salzig, wenn man dran leckt. Hier.« Sie machte sich daran, die Kette abzunehmen.
»Nicht nötig«, wehrte ich ab. Sie sahen in der Tat aus wie Salzklumpen.
»Ob’s jetzt Salzbrocken sind oder was anderes, ich nehm sie nie ab, auch nicht zum Schlafen. So ist mein Sancho immer bei mir. Fray Nepomuceno, so hieß der Mönch, sagte, Sancho wolle mich daran erinnern, nicht zu vergessen, dass Gott vielleicht lange braucht, dass Er aber nach Seiner Zeit geht, nicht nach unserer, und dass wir Sancho eines Tages wiedersehen würden.«
Das war eine erstaunliche
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