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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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wachsen sie auf; sie erlernen das Diebeshandwerk und werden schließlich mit allen Wassern gewaschene Diebe. Die Lust am Stehlen und das Stehlen selbst ist ihnen so zur zweiten Natur geworden, dass nur der Tod sie davon abbringt.«
    In Italien verabschiedete ich mich von meinen Roma -Freunden, die in ihre angestammte Heimat in den Karpaten weiterzogen. Ich selbst ritt so schnell, wie mein Pferd es erlaubte, nach Rom; ich fürchtete, das Geld könnte mir ausgehen, bevor ich mein Ziel erreichte. Sechs Tage später trabte mein Pferd ausgezehrt unter den Bogen der Porta del Popolo . Ich saß ab und küsste mit Tränen in den Augen die Säulen, die den Eingang zur Stadt der Cäsaren bewachten.
    Ohne weiter zu verweilen, brach ich dann zur Residenz Kardinal Acquavivas in der Nähe der Vatikanstadt auf. Es kümmerte mich nicht, dass ich verdreckt und dem Zusammenbrechen nahe war, als ich ans Tor des prachtvollen Palastes klopfte und zum Kardinal geführt wurde. Er empfing mich mit einem offenen Lächeln, das meine schlimmsten Ängste zerstreute.
    »Ich fürchtete, Eure Exzellenz hätten mich vergessen«, murmelte ich im Versuch, mich für meinen unangekündigten Besuch zu entschuldigen.
    »Aber natürlich erinnere ich mich an Euch, Cervantes«, sagte er. »Einen vielversprechenden jungen Dichter vergesse ich nie. Wie schön, dass Ihr Euch an mich erinnert habt. Willkommen in Rom und in meinem – und Eurem – Haus.«
    Ich küsste die weiß behandschuhten Finger, die er mir reichte. Zu meiner Erleichterung folgten keine Fragen über mein unvermitteltes Auftauchen in Rom. Gerade überlegte ich mir, ob Acquaviva wohl etwas von dem Vorfall in Madrid gehört hatte, als er mich mit den Worten beruhigte: »Ich brauche dringend einen Sekretär, der meine spanische Korrespondenz beantwortet. Wie steht es um Eure Handschrift?«
    »Ich spreche die Wahrheit, wenn ich Eurer Exzellenz sage, dass meine Schrift zwar klein ist, aber deutlich, und von meinen Lehrern gelobt wurde«, antwortete ich rasch. Sein Angebot überwältigte mich. »Und ich hoffe, ich werde Euch mit meiner Rechtschreibung keine Schande machen.«
    Er gab seinem Kammerdiener ein Zeichen. »Bring Er Signor Miguels Taschen ins Gästequartier auf diesem Geschoss.« An mich gewandt fügte er hinzu: »Cervantes, ich kann Eure Dienste sofort gebrauchen. In der Zwischenzeit nehmt Ihr die Mahlzeiten hier ein. Was sagt Ihr zu fünf Florins im Monat?«
    Von seiner Liebe zur Dichtung abgesehen, interessierte sich Kardinal Acquaviva für Malerei, Musik, Philosophie, Geschichte und sowohl Lokal- als auch Weltpolitik. Er mochte anregende Unterhaltungen, insbesondere, wenn sie von guten Speisen und den erlesensten Rotweinen begleitet wurden. Gespräche über Religion langweilten ihn, dann wurde er gereizt und ungeduldig. Obwohl ich zu der Zeit erst wenig geschrieben und noch weniger veröffentlicht hatte, behandelte er mich mit einer Achtung, wie sie einem ernstzunehmenden Dichter zukommt.
    In meinen ersten Monaten in Rom verwendete ich jede freie Minute, die meine Pflichten mir ließen, darauf, die herrliche Ewige Stadt zu erkunden. Als frisch eingetroffener Pilger gelobte ich, sie mit zärtlicher Zuneigung, demütiger Hingabe und offenem Herzen zu lieben, und schon sehr bald erlag ich dem Zauber Roms. Die Straßen und die von Sonne erfüllten Piazze, über die ich wie entrückt spazierte, waren mit dem Blut christlicher Märtyrer getränkt und mir dadurch heiliger Boden. Die Schritte Michelangelos hallten noch in den Parks, den Alleen und Gassen nach. Seine Fresken an der Decke und an der Stirnwand der Sixtinischen Kapelle schienen mir eher das Werk einer Gottheit als das eines einzelnen Künstlers. Stundenlang bestaunte ich ihre Größe, ihre Schönheit und Vollkommenheit und verstand allmählich, was es bedeutete, ein Kunstwerk zu schaffen, das – wie auch Dantes Göttliche Komödie – die Summe all dessen darstellt, was über den menschlichen Geist zu sagen ist.
    In Rom bezeugte alles, was man sah, die endlose Fülle von Wunderbarem, das Gott dem Menschen überantwortet hatte – ob gewaltige Marmorsäule, geborstener Bogen, alte Grabstätte, geheimnisvolle Gasse, antike Mauer, ehrwürdiger Friedhof, verblassendes Fresko, verwüsteter Palast, schattiger Zypressenwald oder romantische Piazza, auf der sich nachts Liebespaare trafen.
    Die Erinnerungen an meine missliche Vergangenheit in Spanien verblassten, wie auch die Sehnsucht nach dem Leben, das ich zurückgelassen hatte. Wenn

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