Die Leidenschaft des Cervantes
algerischen Schiffe an, die auf der Suche nach Sklaven unsere Küstendörfer überfielen, und brachte sie auf. Den jungen Spaniern galt er wegen seines Mutes als Held. Ich träumte davon, als Soldat in seiner Armee zu dienen. Er war der Ritter, den Spanien so dringend brauchte. Wollten wir unsere Führungsposition unter den Mächten der Welt wieder erringen, dann war Don Juan derjenige, dem das gelingen würde. Für mich war der Fall klar wie der helllichte Tag: hier der erhabene Ritter, der für die Wiedergutmachung von Unrecht kämpfte, der unermüdliche Krieger gegen das Böse – und dort der grausame, degenerierte, despotische Selim II. Abhängig davon, welche Seite den Sieg davontrug, würden die Mittelmeerländer entweder christlich oder muslimisch werden.
Ich jubelte, als die spanischen Truppen sich den katholischen Staaten Genua, Neapel und Venedig anschlossen, um den bevorstehenden Angriff der Türken zurückzuschlagen. Die Streitkräfte wurden vor der italienischen Küste, in der Nähe des Hafens von Messina, zusammengezogen. Der nahende Krieg hing in der Luft, die wir atmeten; in unseren Gesprächen, unseren Gedanken und unseren Träumen kannten wir kein anderes Thema. Alle jungen Männer marschierten mit stolzgeschwellter Brust durch Rom. Noch nie hatte das Leben mir so viel Lust bereitet.
Wenn Kardinal Acquaviva meine Dienste nicht brauchte, zog es mich oft zum Kolosseum. Spätnachts saß ich dann ganz allein dort oben und sah auf die leere Arena hinunter, bis ich mir vorstellen konnte, wie sie von Blut getränkt war, das im Mondlicht glänzte. Dann hörte ich das donnernde Echo der blutdürstigen Römer. Wenn ich die Augen schloss, sah ich die aufgebrachten Menschen vor mir, die mit dem Daumen das Zeichen für Tod oder Leben machten. Zeichen, die lautlos brüllten: Leben, Tod, Leben, Tod. Leben.
Ich würde Türken so töten, wie ich mir vorstellte, dass ich im Kolosseum Löwen oder Gladiatoren niedergemetzelt hätte. Ich war erfüllt von patriotischem Feuer für das Spanische Reich und unseren christlichen Glauben. Als ich eines Nachts wieder einmal allein in den Schatten des antiken Bauwerks saß, gelobte ich vor den Sternen als meinen einzigen Zeugen, wenn nötig mein Leben hinzugeben, um die Türken niederzuringen. Sollte ich überleben, dann würde das Schlachtfeld mir zweifellos zu Erfahrung verholfen und gleichzeitig ein großes Thema beschert haben, um eine bedeutende Dichtung zu schreiben, etwas, das es mit der Iliade oder El Cid aufnehmen konnte. Sollte ich andererseits nie ein berühmter Dichter werden, wäre ich wenigstens aktiv Beteiligter an einem entscheidenden Moment in der Geschichte gewesen.
In dieser Geistesverfassung befand ich mich, als mein Bruder Rodrigo als Soldat eines spanischen Regiments unter Don Miguel de Moncada nach Rom kam. Wir tranken in den Tavernen, besuchten Bordelle und sprachen unentwegt von der glorreichen Zukunft, die uns im Dienst unseres Königs erwartete.
So musste ich nur noch Kardinal Acquaviva von meiner Entscheidung in Kenntnis setzen. In seiner Stimme schwang keine Missbilligung mit, als er sagte: »Miguel, Ihr werdet mir fehlen. Wären meine Lebensumstände anders, würde auch ich Soldat werden. Ich werde um Eure Sicherheit beten. Vergesst nicht, in meinem Haus wird es immer einen Platz für Euch geben.«
In den letzten stickigen Augusttagen des Jahres 1571 versammelten sich die christlichen Flotten im Hafen von Messina. Ich brannte vor Verlangen, unter dem Oberbefehl unseres erhabenen, ruhmvollen Ritters zu dienen, der versprochen hatte, Spanien in ein neues Goldenes Zeitalter zu führen. Die Tage vor der großen Schlacht verbrachten Rodrigo und ich an Bord der Marquesa und hörten, wie auf einer Galeere nach der anderen Priester die Messe lasen und uns in Erinnerung riefen, dass es ein würdiger Einsatz war, bei der Verteidigung des einzig wahren Gottes zu sterben. Zusammen mit Tausenden anderer junger Christen warteten wir auf das Kommando unserer Befehlshaber, uns für die Schlacht zu rüsten, hörten ständig wechselnde Gerüchte über die strategischen Manöver der türkischen Marine. Den September, der mir als der längste Monat meines jungen Lebens in Erinnerung geblieben ist, vertrieben wir uns, indem wir unsere Waffen reinigten, ölten und polierten, verschiedene Angriffsszenarien durchexerzierten und leise beteten, dass wir zum Schutz unseres christlichen Glaubens und unserer christlichen Welt Scharen von Türken töten würden.
Und
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