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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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seiner Bettstatt auf den Boden und kroch praktisch auf allen Vieren zur Baderstube Eures Vaters hinaus.«
    Sancho tätschelte beruhigend seinen voluminösen Bauch, der von seinem Heiterkeitsanfall erschüttert wurde. Ich lachte ebenfalls. Es war eine Weile her, seit ich den Klang meines eigenen Lachens gehört hatte.
    Nach diesem Blick in die Vergangenheit sagte Sancho: »Ich möchte nicht neugierig sein, junger Herr, aber was ist mit Eurem Arm passiert? Und bitte, erzählt Eure Geschichte mitsamt allen Kommas und Punkten, ich weiß eine gut abgerundete Mär zu schätzen.«
    Da ich die schmerzvollen Momente der letzten Jahre nicht noch einmal durchleben wollte, berichtete ich ihm nur verkürzt, wie ich zu meiner Verwundung bei Lepanto gekommen war.
    Aber Sancho war nicht bereit, mich mir selbst zu überlassen. »Was wisst Ihr über das bagnio ?«
    »Müsste ich denn etwas wissen?«
    »Ihr wisst auf jeden Fall, dass es kein Badehaus ist, nicht wahr? Auch wenn die meisten Männer hier dringend baden müssten. Aber das bagnio ist kein Gefängnis wie in Spanien. Die türkischen Hunde lassen uns kommen und gehen, solange wir beim ersten Ruf zum Abendgebet, wenn sie die Pforten schließen, wieder hier sind. Wir dürfen nach draußen gehen, allerdings nicht, weil sie gutmütig wären, sondern weil wir Geld verdienen müssen, um Essen und Kleidung zu bezahlen. Wir können von Glück reden: Die Esel denken, wir hätten alle Familien, die uns freikaufen werden. Deswegen müssen wir uns hier nicht zu Tode schinden und Straßen flicken, Marmorblöcke schleppen, heidnische Monumente errichten, Moscheen oder Gräber für Mauren mit prallen Geldtruhen bauen oder – die schlimmste aller schlimmen Strafen – als Rudersklaven in ihren Todesschiffen schuften. Sie glauben, dass Eure Familie Geld hat. Ist Don Rodrigo zu Reichtum gekommen, seit ich ihn das letzte Mal sah? Seine Hochwohlgeboren erwähnte häufig seine wohlhabende Verwandtschaft.«
    Ich erzählte ihm von dem Brief Don Juan de Austrias.
    »Das nenne ich Pech, dass ein Schreiben unseres erhabenen Ritters so viel Unglück über einen Menschen bringt. Was mich betrifft, mein werter Freund, bin ich so arm wie an dem Tag, als ich schreiend aus dem Bauch meiner gesegneten Mutter glitt. Aber verdammt wollte ich sein, wenn ich mich als Ruderer oder Arbeitstier abplagen würde, also sagte ich, ich käme aus einer reichen galizischen Familie. Gelobt sei Gott, in den vielen Jahren, in denen ich seiner Exzellenz, dem Grafen von Ordoñez, diente, musste ich nichts weiter tun als Nachttöpfe leeren und ihm sein Essen vorsetzen. Ich habe die Hände eines Edelmannes.« Er streckte sie vor mir aus, damit ich sie inspizierte. In der Tat, so ungepflegt Sancho sonst war, seine Hände sahen makellos aus. »Das sind Hände, die jahrelang Handschuhe trugen. Als der einfältige Türke meine Hände begutachtete, sagte dieser Sohn einer heidnischen Hure, sie wären glatt wie poliertes Elfenbein. Da der Türke aber noch immer nicht ganz überzeugt war, fügte ich hinzu: ›Adversus solem. Amantes sunt. Donecut est in lectus consequat consequat. Vivamus a tellus.‹« Sancho brach in Lachen aus. »Ein gebildeter Hidalgo wie Ihr weiß natürlich, dass ich nichts als Unsinn plapperte. Das waren alles Wörter, die ich meinen Herrn im Lauf der Jahre hatte sagen hören.« Wieder tätschelte er seinen Bauch, um sich zu beruhigen.
    Ich lachte laut. Kummer war so lange mein Begleiter gewesen, dass ich seit den Tagen vor Lepanto nicht mehr herzhaft gelacht hatte.
    »Jetzt hört mir gut zu, mein junger und werter Herr. Versucht, gesund zu bleiben, denn wer gesund ist, hat Hoffnung, und wer Hoffnung hat, hat alles. Auch wenn die Freiheit an manchen Tagen weiter entfernt scheint als der Himmel von der Erde, bete ich zu Gott, er möge Don Juans Truppen eilends nach Algier schicken, um uns zu befreien. Ich werde als Optimist sterben. Jawohl, mein Herr.«
    Wer war dieser Philosoph?, fragte ich mich.
    »Junger Miguel, dankt Eurem gnädigen Stern, dass Ihr mir begegnet seid. Um Eurer selbst willen, habt die Güte und hört auf mich. Das Mindeste, womit ich Eurem edelmütigen Vater danken kann, ist, Euch alles zu lehren, was Ihr zu wissen braucht, um in diesem Vipernnest zu überleben. Seit vier Jahren bin ich in dieser Hauptstadt der Verderbnis und habe viele Männer, die mit mir hier in dieses Land von Heiden und Götzenanbetern kamen, sterben sehen. Ich brauche Euch zweifellos nicht ins Gedächtnis zu rufen, dass

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