Die Leidenschaft des Cervantes
Blicke in das Innere der Häuser mit ihren alten, in kunstvollen Mustern und wunderschönen Farben gefliesten Böden zu werfen. Innen waren die Häuser makellos sauber, im krassen Gegensatz zu dem Unrat, der sich in den Straßen häufte. Barfuß, in wogenden Gewändern, das glänzende schwarze Haar unbedeckt, glitten die algerischen Frauen durch die dämmrigen Räume, verschwanden hinter Draperien. Die Goldbänder um ihre Arme und Knöchel, die Ketten aus langen Schnüren schimmernder Perlen glänzten flüchtig auf, wenn die Frauen am Fenster vorbeihuschten. Bisweilen blieb eine Frau einen Moment stehen und starrte christliche Männer herausfordernd an, ihre lockenden Augen funkelten golden wie die einer Wildkatze.
Weder das höfische Madrid noch Córdoba mit seiner uralten, reichen Geschichte oder das prächtige Sevilla, wo große Schätze und Wunderwerke aus aller Welt zu sehen waren, und nicht einmal das unsterbliche, mythische Rom mit den glorreichen Ruinen und den Geistern großer Männer, die noch durch die Stadt wanderten, konnte es mit Algier aufnehmen, wo Mauren, Juden, Türken und über zwanzigtausend christliche Gefangene lebten. Die Algerier auszumachen, lernte ich sofort: Ihre Haut hatte denselben Farbton wie bei Sonnenuntergang die Dünen der Wüste, die Algerien vom dunklen Afrika trennte.
Juden waren leicht durch ihre weißen Umhänge zu identifizieren und durch die schwarzen Kappen, mit denen sie ihren Schädel bedeckten. Mit dem weißen Umhang hoben sie sich in der Dunkelheit der Nacht von allen anderen ab. Unter diesem Umhang mussten sie Schwarz tragen. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich dankbar, dass meine Familie vor so langer Zeit zum Christentum übergetreten war, dass ich nicht mehr als Jude zu erkennen war. Christlichen Sklaven ging es gut im Vergleich dazu, wie Juden behandelt wurden. Selbst Straßenkatzen waren mehr wert als sie. Wenn einem Algerier danach zumute war, spuckte er einem auf der Straße vorübergehenden Juden ins Gesicht. Auch die Sklaven der Mauren und Türken standen noch über den Juden, die am Brunnen warten mussten, bis alle anderen ihre Krüge gefüllt hatten, bevor auch sie Wasser schöpfen durften.
Algier war eher türkisch als arabisch. Die türkischen Männer waren kräftig gebaut und beeindruckend. Zu ihrer kurzärmeligen Jacke trugen sie eine weite Hose, ein bloßes Stück Stoff, das eng um die Knöchel anlag und in Bauchnabelhöhe von einem breiten Stoffgürtel gehalten wurde. Ihr übergroßer Turban sah aus wie eine Kuppel. Unter dem Gürtel zeichneten sich Krummsäbel, Dolche und Pistolen ab. Jeder in Algier unterwarf sich ihnen. Eine der ersten Lektionen, die Sancho mich lehrte, war: »Regel número uno , widersprecht nie diesen Kröten! Vor denen läuft man so schnell davon wie vor einem Elefantenfurz.«
Sehr bald lernte ich auch, die christlichen Abtrünnigen aus aller Welt auszumachen. Diejenigen, die einen Turban trugen, hatten die Aufmachung und Sitten ihrer maurischen und türkischen Herren übernommen. Untereinander sprachen sie Spanisch, nicht aber zu christlichen Gefangenen. Diese Renegaten waren die schmählichsten Bewohner der Stadt, denn in meinen Augen gibt es kein größeres Verbrechen als das, seinen Glauben aufzugeben und sich gegen die Menschen seines eigenen Blutes zu wenden. Zum Beweis ihrer Loyalität gegenüber ihren neuen Gebietern und um mit Wohlstand und Privilegien belohnt zu werden, erfanden die Abtrünnigen Lügen und legten den Gefangenen, die ihre ehemaligen Glaubensbrüder waren, unsägliche Verbrechen zur Last.
Das Volk der azuago , der Berber, faszinierte mich. Sie waren so weiß wie die schneebedeckten Gipfel der Berge, aus denen sie stammten. Auf der Innenfläche ihrer Hände waren Kreuze eintätowiert. Bei ihren Frauen war der ganze Körper mit Tätowierungen bedeckt, einschließlich des Gesichts und der Zunge. Die Frauen verdienten ihren Lebensunterhalt mit Weben und Stricken, oder sie arbeiteten als Dienstmädchen in den Palästen und Häusern wohlhabender Mauren.
Andere Fremde kamen aus weiterer Ferne, aus Russland, Portugal, England, Schottland und Irland im Norden, aus Syrien, Ägypten und Indien im Süden und Osten, und aus Brasilien im Westen. Viele dieser Fremden wurden, wenn sie sich wie ihre Herren beschneiden ließen, zum Islam übertraten und sich der Sodomie hingaben, von den Türken als Söhne adoptiert.
Überall im souk hörte ich Menschen Spanisch sprechen, nicht nur meine Landsleute unter den
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