Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
Vom Netzwerk:
werden, von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Habt keine Angst, jemand könnte uns hier entdecken, meine Dienerin beginnt zu singen, wenn einer diesen Weg einschlägt. Meine Situation ist verzweifelt, und die Zeit ist mein ärgster Feind. Viele Männer haben um mich geworben, von der ganzen Barbareskenküste und sogar aus Arabien, aber zur Enttäuschung meines Vaters, dessen Alter allmählich fortschreitet, habe ich sie alle abgewiesen. Jetzt hat mein Vater mir mitgeteilt, dass Muley Maluco, der König von Fez, um meine Hand angehalten hat. Mein Vater hat die Hochzeit für Ende Oktober angesetzt. Der König ist ein guter Mensch, kultiviert und freundlich, was mir durchaus gefällt.«
    Sie hielt inne und schaute mir in die Augen, als wollte sie sich vergewissern, dass ich ihrer Geschichte folgte. »Aber ich liebe ihn nicht. Wie Ihr vielleicht gehört habt, ist mein Vater sehr wohlhabend, und ich kann über einen Gutteil seines Vermögens in Gold- escudos und Edelsteinen verfügen. Ich werde Euch Gold zukommen lassen, das es Euch ermöglicht, mich sicher nach Spanien zu bringen, und dort möchte ich in ein Kloster eintreten. Ich weiß, dass Ihr mich nicht enttäuschen werdet. Eure Ritterlichkeit und Tapferkeit sind in Algier allgemein bekannt – selbst Eure Feinde bewundern Euch.«
    Ihre Worte ließen mich schwindeln. Es kam mir vor, als habe Gott mir einen Engel gesandt, der mich nach Spanien zurückbringen sollte.
    »Ich weiß, dass Ihr gut und aufrichtig seid«, fuhr sie fort. »Mein Volk ist hinterhältig, und ich kann niemandem vertrauen, außer meiner ergebenen Dienerin, die mit mir nach Spanien kommen möchte. Sie ist eine Christin, die vor vielen Jahren, noch als Mädchen, von meinem Vater gekauft wurde. Sie möchte vor ihrem Tod in ihre Heimat zurückkehren und im Schoß der einzig wahren Kirche sterben. Wartet auf meine Anweisungen, Señor. Morgen am Markt wird Loubna Euch an derselben Stelle, wo Ihr ihr heute begegnet seid, das nötige Geld geben, um die ersten Vorbereitungen für unser Unternehmen zu treffen. Jetzt muss ich gehen. Wir müssen die Vorsicht eines Geparden walten lassen.«
    Ich fiel auf die Knie. »Ich schwöre, Euch mit aller Kraft zu dienen«, sagte ich. »Ich gelobe, Euch vor Fährnissen zu schützen.«
    Sie streckte die Hand aus, in der sie ein Taschentuch hielt, und das überließ sie mir. Dann drehte sie sich um und verschwand zwischen den Bäumen. Benommen vom himmlischen Duft ihres Körpers blieb ich zurück. Ich legte mich auf die Piniennadeln und das Moos, die auf dem Waldboden einen Teppich bildeten, und breitete ihr Taschentuch über Nase und Lippen. Dann schloss ich die Augen und blieb so liegen, ohne zu merken, wie die Zeit verstrich. Ich wollte, dass dieser Augenblick des vollkommenen Glücks nie endete. Wenn dies ein Traum war, wollte ich nicht mehr daraus erwachen. Als mich zu frösteln begann, fand ich den Weg zum Wald hinaus und ging zu dem kleinen Platz vor den Ruinen der alten christlichen Kirche. Kein Mensch war in der Nähe. Ich setzte mich auf einen großen Stein, von dem aus ich den Hafen sehen konnte. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Algier sah das Mittelmeer überwindbar aus. In Zoraidas Brief stand:
    Señor Dichter:
    Mir wurde gesagt, Ihr heißt Miguel Cervantes. Wenn Ihr diesen Brief gelesen haben werdet, werdet Ihr Euch vielleicht meiner erbarmen. Meine Mutter lernte ich nie kennen, denn sie starb bei meiner Geburt. Gramerfüllt gelobte mein Vater, nie wieder zu heiraten. Allerdings setzte er große Hoffnungen in mich, so klein ich auch war. Er sagte, es sei mir bestimmt, eine Prinzessin zu werden, und bereitete mich darauf vor, einen Mann von adeligem Stand zu heiraten. Sein oberster Wunsch war, mir eine gute Ausbildung zu geben, die meinem späteren Rang und Namen angemessen wäre. Eines Tages, da war ich noch ein Kind, brachte er eine junge spanische Dame nach Hause, die er bei einer Versteigerung erworben hatte. Azucena war eine Zofe der Gräfin von Paredes gewesen. Mein Vater hatte sie gekauft, damit sie mich Spanisch lehrte und zudem alles, was eine Dame zu wissen braucht. Azucena war eine fromme Christin. Obwohl mein Vater mich mit Dienstboten umgab, die mir zu essen gaben, die mich wuschen und anzogen, die mit mir spielten und darauf achteten, dass mir nichts zustieß, war Azucena trotz ihres Unglücks, ihre Freiheit verloren zu haben, die Einzige, die Mitgefühl mit mir hatte: ein einsames Kind, das ohne Mutter aufwuchs. Azucena wurde mir zur

Weitere Kostenlose Bücher