Die Leidenschaft des Cervantes
gelingen, ich durfte Zoraida nicht enttäuschen. Die große Geldmenge, die zur Verfügung stand, würde alles leichter machen: Die Goldtruhen ihres Vaters waren, solange sein Misstrauen nicht geweckt wurde, unerschöpflich. Durch meine Erfahrung mit El Dorador hatte ich gelernt, dass Verrat in Algier die gängigste Währung war. Selbst Fliegen waren verdächtig für mich. Unter keinen Umständen wollte ich etwas mit Abtrünnigen zu schaffen haben. Sobald Männer ihrer christlichen Religion abschworen, war ihre Seele korrupt, als sei es ihnen gleichgültig geworden, ob sie auf Seiten Gottes oder des Teufels standen. Der einzig wahre Gott war für sie das Geld.
Eines Vormittags gab Loubna mir im souk das Zeichen, dass ich ihr folgen solle. Sie war in Begleitung eines großen, älteren, gut gekleideten Mauren, den ich bereits öfter in der casbah gesehen hatte. Er hieß Abdul und sagte mir, er sei insgeheim zum Christentum übergetreten. Er habe sein Leben lang für Zoraidas Vater gearbeitet und wickele viele von Agi Moratos Geschäften in der Stadt ab. Als wir durch einen wenig bevölkerten Teil der casbah spazierten, wechselte er in die lingua franca , die ich mittlerweile brauchbar beherrschte. Seine Stimme war klangvoll und traurig. »Die Herrin Zoraida, die ich als kleines Kind in den Armen hielt, hat mir Geld gegeben mit dem Auftrag, eine Fregatte zu kaufen, mit der sie in die Sicherheit Spaniens gelangen kann. Sie hat mich gebeten, sie zu begleiten, denn das ist mein Wunsch: als Christ zu leben. Außerdem darf eine Dame ihres Standes nicht ohne Begleitung in ein fremdes Land reisen.« Er unterbrach sich und sah mich fragend an. Ich nickte zum Zeichen, dass ich alles verstand, was er sagte. »Weil der Termin ihrer Hochzeit mit König Muley Maluco näher rückt, möchte sie sobald wie möglich aufbrechen. Für den Zweck unserer Reise habe ich bereits eine Galeasse gekauft, sie ist in bestem Zustand. Ich habe sie selbst begutachtet«, fügte er hinzu. »Sie hat zwölf Bänke, einen Ruderer pro Bank. Männer, denen ich voll und ganz vertraue und die wünschen, dass dieses Unterfangen gelingt, werden uns in einen sicheren Hafen rudern, denn sie wollen ihre Familien in Algier nicht verlassen. Die günstigste Zeit zur Flucht ist der Sommer. Christenmensch«, fuhr er fort und sprach langsamer, als wollte er sichergehen, dass ich auch wirklich jedes Wort verstand, »wie Ihr vielleicht wisst, ziehen sich wohlhabende algerische Familien im August in die Sierra zurück, dort, wo sie im Meer ausläuft, in der Hoffnung, dass eine erfrischende, gesunde Seebrise weht. Die Herrin Zoraida wird ihren Vater zu seiner Villa am Meer begleiten. Das Haus meines Gebieters ist viele Meilen von Algier entfernt und liegt ideal, um von dort aus nach Spanien zu segeln. Parallel zum Garten fließt dort ein Bach, der in einen versteckten Hafen mündet, in dem unser Schiff auf uns warten wird.«
Mir verschlug es die Sprache. Alles war so schnell gegangen, so unerwartet, dass es mir noch immer wie ein Traum erschien – ein vollkommener Traum.
»Hier«, sagte Abdul und riss mich aus meiner Träumerei, »die Herrin Zoraida bat mich, Euch das zu geben.« Er reichte mir ein Briefchen.
Ich konnte es nicht erwarten, den Inhalt zu erfahren. Das Papier duftete nach ihrem vertrauten Parfüm. Ich las:
Miguel,
wenn ich mich erdreisten darf, Euch mit Vornamen anzusprechen. Die Tage, in denen ich im Obstgarten meines Vaters darauf warten werde, dass Ihr mich nach Spanien bringt, werden die längsten meines Lebens sein. Ich werde mit aller Inbrunst zur Heiligen Jungfrau und ihrem göttlichen Sohn beten, dass Euch nichts zustößt, dass die rauen, gefährlichen Meere sich beruhigen und dass sie dem Wind Kraft verleihen, die Segel Eures Schiffes zu blähen, das mich in Freiheit bringt, damit ich als Christenfrau leben kann. Ich weiß, ich brauche Euch nicht zu erinnern, dass ich mein Leben in Eure Hände gelegt habe.
»Sagt meiner Herrin, dass wir mit Gottes Hilfe kommen werden, um sie nach Spanien zu bringen«, sagte ich zu Abdul. »Sagt ihr, sie möge ruhig im Garten ihres Vaters warten, wo ihr meine Treue offenbart werden und sie den Beweis bekommen wird, dass ich ein Mann bin, der sein Wort hält.«
Nun musste ich bloß noch in kürzester Zeit ein Dutzend starke, vertrauenswürdige Männer finden, die uns alle mit Kraft in die Freiheit ruderten. Fortuna schien uns geneigt, denn im bagnio traf eine Schiffsladung spanischer Gefangener ein. Unter ihnen
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