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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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befanden sich auch zwei junge dominikanische Priester und neun kastilische Edelleute, die im Auftrag unseres Königs auf einer Mission im Vatikan gewesen waren. Es war kein ungefährliches Unterfangen, sie anzusprechen, aber die Erfahrung hatte mich gelehrt, dass es besser war, sich an Neuankömmlinge zu wenden, noch ehe sie – wie es so oft der Fall war – von der Rohheit des Lebens im bagnio an Körper und Geist gebrochen oder von den sodomitischen Lustbarkeiten verdorben wurden, die in diesem heidnischen Land überall feilgeboten wurden. Mit großer Beklommenheit sprach ich sie an.
    Zum Nachweis meiner Glaubwürdigkeit stellte ich mich ihnen als Soldat der Schlacht von Lepanto vor. Die Narben auf meiner Brust und meine nutzlose Hand bestätigten meine Geschichte und gaben mich als wahren Patrioten und Christen aus. Als die dominikanischen Priester hörten, dass ich in Rom für Kardinal Acquaviva gearbeitet hatte, sahen sie meine Vertrauenswürdigkeit als erwiesen an. Die Männer waren einstimmig in ihrem Entschluss, sich meinem Fluchtversuch anzuschließen. Ich betete, dass es in der Gruppe keinen potenziellen Judas geben möge.
    Zoraida, ihr Vater und seine Bediensteten und Sklaven brachen in einer Karawane von Algier zu ihrer Sommerresidenz auf. Vom Tor des bagnio aus sah ich meine Herrin vorbeiziehen, auf ihrem Sessel hoch oben auf einem Kamel thronend. Trotz der Vorhänge, die den Sitz umgaben, und trotz des Schleiers, der ihr Gesicht verhüllte, erkannte ich ihre Züge. Einen Moment glaubte ich, dass unsere Blicke sich begegneten und sie mir kaum wahrnehmbar zunickte. Mir schwindelte der Kopf vor Glück. Meine früheren Lebenskräfte kehrten zurück, ich fühlte mich wieder jung.
    In Algier machte die Nachricht die Runde, dass Hassan Pascha an der Spitze einer großen Korsarenflotte zu einem Angriff auf Malta aufgebrochen war. Vermutlich würden es die Umstände lange nicht mehr so gut mit uns meinen wie jetzt.
    Eines späten Nachmittags, nachdem ein uns wohlgesonnener Schmied die Fußeisen entfernt hatte, gingen wir unbemerkt durch das Tor Bab Azoun aus Algier hinaus. Nach fünf Jahren zum ersten Mal ohne Fesseln auszuschreiten, gab mir eine Vorahnung von Freiheit. Wir waren gekleidet wie die Bauern, die abends vom Verkaufen ihrer Waren auf dem souk heimkehrten. Wir reihten uns in den Strom der Landarbeiter ein, die leere Obstkörbe trugen oder auf ihren Eselskarren fuhren, um vor Einbruch der Dämmerung nach Hause zu kommen. Unsere Männer gingen jeder für sich, niemand durfte zu erkennen geben, dass wir uns kannten. Und unter keinen Umständen durften wir auch nur ein Wort Spanisch äußern. Selbst wenn wir in unserer Sprache angesprochen würden, sollten wir vorgeben, kein Wort zu verstehen. Während ich die Tore des Bab Azoun inmitten einer Gruppe algerischer Bauern passierte, verkrampfte sich meine Lunge, als würde sie von einer Schraubzwinge zusammengepresst, ich konnte nicht mehr atmen. Allzu deutlich stand mir noch Arnaut Mamís Bestrafung für meinen ersten Fluchtversuch vor Augen, die Narben auf meinem Rücken dienten als weitere Erinnerung daran.
    Meine Mitverschwörer und ich gingen rund eineinhalb Meilen, bis wir eine Gabelung erreichten, an der wir uns, wie Abdul mir gesagt hatte, links halten sollten. Es dämmerte. Keiner von uns war auf seinem Weg hierher erkannt worden. Jetzt marschierten wir zusammen in einer Gruppe weiter. Ich erlaubte mir zu denken, wir könnten Agi Moratos giardini ohne Zwischenfall erreichen. Wir kamen zu einer weiteren Gabelung und bogen rechts auf einen schmalen, steinigen Pfad ab, der zwischen belaubten Bäumen verlief.
    Wölfe riefen einander, ihr Heulen hallte mit erschreckender Klarheit über den nächtlichen Wüstenhimmel. Unsere Sorge galt allerdings nicht den Wölfen, sondern einem Rudel hungriger Berberlöwen. Schweigend marschierten wir durch die Wildnis. Einige unserer Männer hatten Pistolen bei sich, wir hatten also im Fall eines Hinterhalts durchaus eine Chance.
    Die Nacht war klar, wie zumeist in der Wüste, und der Mond, der die Gestalt einer goldenen Pampelmuse hatte, schien so hell, dass wir keine Fackeln brauchten. Stundenlang wanderten wir auf dem schmalen Weg und erreichten schließlich die Stelle im Wald, an der Abdul und seine Männer uns mit Pferden erwarteten.
    Mit Abdul an der Spitze ritten wir durch hügelige, dichte Wälder auf das Meer zu. Der Wind des Mittelmeers wehte mir ins Gesicht, über mir funkelte der mit Edelsteinen besetzte

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