Die Leidenschaft des Cervantes
Himmel, und in mir stieg dieselbe Erregung auf wie am Vorabend der Schlacht von Lepanto. Damals hatte mein Herz vor Liebe zu Gott und Vaterland gebrannt, jetzt war es der Wunsch nach Freiheit, beflügelt von meiner Liebe zu einer Frau, die mich furchtlos machte. Seit zehn Jahren hatte ich mich Spanien, meiner Familie und meinen alten Träumen nicht mehr so nahe gefühlt. Warum sollte ich nicht wieder zu träumen wagen? Vielleicht würde sich Zoraida meines Wagemuts wegen in mich verlieben. Wenn sie in meine Seele geblickt hatte, musste sie gesehen haben, das Großes in mir steckte.
Wir kamen bei dem ummauerten Haus an. Die schwere Tür war nicht verschlossen. Abduls Männer ritten mit den Pferden davon. Das hatte ich schon vor Längerem entschieden, damit wir uns nicht versucht fühlten, umzukehren, wenn etwas nicht wie geplant laufen sollte. Abdul betrat Agi Moratos Obstgarten als Erster, einer nach dem anderen folgten wir ihm verstohlen.
Aufgeschreckt durch die Störung begannen Vögel zu zwitschern. Kleine Tiere huschten ängstlich umher. Plötzlich ließ ein Flügelschlag uns zusammenfahren, dann flog eine große weiße Eule über unsere Köpfe hinweg, ihre Flügel spannten sich so weit, dass wir die Bewegung der warmen Luft auf dem Scheitel spürten. Abdul beruhigte uns und ging uns voraus zu einem Trinkbrunnen in einem Dattelpalmenhain. Dort sollte Zoraida uns, begleitet von Loubna, erwarten. Das wussten nur Abdul und ich. »Sie ist aufgehalten worden«, flüsterte ich ihm ins Ohr.
»Nein, irgendetwas läuft nicht nach Plan«, stellte er ruhig fest.
Einer der Männer hörte unser Gespräch. »Wir sind in eine Falle geraten«, sagte er zu den anderen.
Ich hatte absolutes Vertrauen zu Abdul: Zoraida hätte unser Schicksal nie in die Hände eines Menschen gelegt, dem sie nicht vertraute. Um die Männer zu beruhigen, sagte ich: »Es gibt noch keinen Grund zur Sorge. Die Herrin Zoraida muss irgendwie aufgehalten worden sein. Gehen wir doch leise zum Haus, um herauszufinden, weswegen sie uns nicht hier treffen konnte.« »Bitte, Gott«, betete ich lautlos, »lass Zoraida nichts zugestoßen sein. Wenn ihr irgendetwas passiert ist, wäre das ein Schlag, den ich wohl nicht überleben würde.«
Freude überwältigte mich, als ich im silbernen Mondlicht Zoraida neben der offenen Tür stehen sah. Loubna war bei ihr. »Ich konnte Euch nicht am vereinbarten Treffpunkt empfangen, weil mein Vater erst vor Kurzem zu Bett gegangen ist. Ich glaube, er ist misstrauisch geworden«, sagte sie leise. Mehrere Perlenketten lagen um ihren Hals, diamantenbesetzte Goldreifen schmückten ihre Arme und Fußgelenke. »Folgt mir ins Haus.«
Unsere Männer waren überrascht, eine Maurin perfekt Kastilisch sprechen zu hören. Sie sagte zu ihnen: »Achtet darauf, keinen Lärm zu machen. Mein Vater hat einen leichten Schlaf.«
Ich schärfte meinen Landsleuten ein: »Ich will nicht, dass irgendjemandem, der in diesem Haus lebt, ein Leid zugefügt wird. Kein Blut darf vergossen werden.«
Wir folgten Zoraida einen dunklen Gang entlang, der zu ihrem Gemach führte. Sie deutete auf eine Reihe perlmutterner Truhen, die auf einem Tisch standen. Ich öffnete eine davon: Sie war mit Goldmünzen gefüllt. Eine andere quoll vor Edelsteinen fast über. Wir nahmen die Truhen an uns und gingen zurück. Fast hatten wir die Tür erreicht, als ein Mann in der Eile, das Haus zu verlassen, auf dem Mosaikboden ausrutschte und dabei einen metallenen Zierrat von der Wand stieß. Scheppernd wie eine Zimbel fiel das Stück auf den Boden. Wir erstarrten.
Keine Sekunde später trat Agi Morato in seiner Schlafrobe aus seinem Zimmer, eine brennende Kerze in der Hand. »Licht, Licht«, rief er. »Christendiebe! Christendiebe!«
Einer unserer Männer stürzte sich auf ihn und schlug ihm mit dem Griff seines Degens auf die Stirn. Bewusstlos fiel der alte Maure zu Boden. Wie hätte ich ein solches Unglück vorhersehen können? Zoraida lief zu ihrem Vater, kniete sich neben ihn und bettete seinen Kopf auf ihren Schoß. »Bitte, wacht auf, lieber Vater«, flehte sie. »Verzeiht mir.« Zu uns sagte sie: »Meine Herren, ich bitte Euch, fügt meinem Vater nichts zu.«
Der Aufruhr hatte die übrigen Bediensteten geweckt. Zwei mit Pistolen bewaffnete Mauren liefen mit Fackeln in der Hand auf uns zu. Als sie sahen, dass wir in der Überzahl waren, legten sie ihre Waffen fort.
»Ich will nicht, dass Blut vergossen wird«, wiederholte ich. »Entwaffnet die Männer, fesselt
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