Die Leidenschaft des Cervantes
sie an Händen und Füßen und verbindet ihnen den Mund.« Die überwältigten Bediensteten wurden in Agi Moratos Zimmer eingeschlossen.
Ein paar Dienerinnen standen zitternd im Flur und beobachteten uns mit Panik in den Augen.
Ich musste Zoraida aus dem Haus bringen, ehe weitere Diener hinzukamen und ihren Herrn verteidigen wollten. Doch sie blieb einfach weiter am Boden sitzen, den Kopf ihres Vaters im Schoß.
Allmählich kam Agi Morato wieder zu Sinnen. Als er Zoraida sah, sagte er mit schwacher Stimme: »Tochter, geh auf dein Zimmer und verschließ die Tür. Öffne sie erst wieder, wenn ich es dir sage.«
Zoraida senkte den Blick und brach in Tränen aus. Da begriff der alte Mann, dass sie an der Verschwörung beteiligt war. »Vom eigenen Kind verraten zu werden, ist die schmerzlichste aller Strafen«, sagte er. »Wie konntest du mir das antun, mir, der ich dir das Leben schenkte, der dich nährte und beschützte, der jeden Tag deines Lebens dein Wohlergehen im Sinn hatte? Möge Allah mich erschlagen!«, klagte er.
Wir waren alle wie gebannt von dieser Szene, bis Abdul sagte: »Wir haben schon zu viel Zeit verloren. Wir müssen meinen Herrn mitnehmen. Mit jeder Minute, die wir hier stehen, gefährden wir unsere Flucht.«
Zwei von uns halfen Agi Morato, aufzustehen. Ohne sich zu wehren, verließ er mit uns das Haus, als sei der Verrat seiner Tochter und seines vertrautesten Dieners zu viel für ihn. Zoraida ging hinter ihrem Vater, der sie keines Blickes würdigte. Abdul führte uns einen Weg durch den Obstgarten entlang, der am Meer enden sollte. Gerade, als wir einen Bach überquerten, fiel Agi Morato wieder in Ohnmacht.
»Geht voraus und bemannt die Ruder«, sagte Abdul zu uns. »Ich bleibe hier und komme mit meinem Herrn nach, sobald er wieder bei Sinnen ist.«
»Ich bleibe bei Abdul und helfe ihm«, sagte ich.
»Ich kann meinen Vater in diesem Zustand nicht hier zurücklassen«, sagte Zoraida zu ihrer Dienerin. »Geh mit den Christen und warte unten am Meer auf uns.« Loubna wollte Einwände erheben, doch Zoraida schnitt ihr das Wort ab. »Das ist ein Befehl. Geh. Es gibt keine Zeit zu verlieren.«
Don Manuel Ulacia, einer der kastilischen Edelleute, sagte: »Ihr gefährdet uns alle, Cervantes. Lasst den alten Mann hier. Wir können ihn nicht nach Spanien mitnehmen.«
»Ich bin verantwortlich«, mahnte ich. »Tut, was ich sage, sonst betrachte ich Eure Worte als Akt des Ungehorsams.«
Hätten nicht die Dominikaner eingegriffen, wäre ich vermutlich auf der Stelle ermordet worden. Schließlich sagte einer der Kastilier: »Wenn Ihr nicht auf dem Schiff seid, wenn wir zur Abfahrt bereit sind, lassen wir Euch zurück.«
»Die Gefahr nehme ich auf mich«, sagte ich.
Die Männer gingen davon, begleitet von einer widerstrebenden Loubna.
Abdul hatte Agi Moratos schlaffen Körper an den Stamm einer Weide gelehnt, die am Bachufer wuchs. Zoraida schöpfte Wasser in ihre hohlen Hände und benetzte ihrem Vater Stirn und Wangen. Er schlug die Augen auf. Freudig schloss sie ihn in die Arme.
»Meine Tochter, was hast du getan?« In Agi Moratos gequälter Stimme lag derart große Trauer, dass ich Mitleid mit ihm empfand.
»Geliebter Vater, ich will Euch nicht belügen«, sagte Zoraida. »Ich habe dieses Unternehmen mit Geld aus Euren Truhen finanziert. Möge Gott mir vergeben, aber nachdem Ihr Azucena in unser Haus gebracht hattet, bin ich heimlich Christin geworden. Nachdem ich einmal das Licht des wahren Gottes gesehen hatte, konnte ich nicht in die frühere Dunkelheit zurückkehren. Ich bin wiedergeboren, Vater.«
»Weißt du nicht, Blut meines Blutes, dass du dich damit gegen Mohammed versündigt hast? Du bist nicht mehr meine Tochter.« Mühsam fuhr Agi Morato fort: »Du hast dich gegen den Propheten versündigt, um wie die Christinnen zur Hure zu werden. Ich verfluche die Stunde, in der du von meinem Samen und aus dem Schoß deiner Mutter geboren wurdest. Im Namen Allahs, des einzig wahren Gottes, verstoße ich dich. Von diesem Moment an bist du für mich nicht mehr.«
»Vater, Mohammed ist nicht mein Herr, ich bin nur dem Christengott verpflichtet.«
»Ich verfluche dich! Ich verfluche dich in alle Ewigkeit!«, schrie Agi Morato, er zitterte am ganzen Leib. Dann zog er unter seinem Gewand einen Dolch hervor, und ehe jemand dazwischengehen konnte, stieß er ihn Zoraida in die Brust. Sie fiel rücklings auf den moosbewachsenen Boden, ihre bebenden Hände flatterten wie gebrochene Flügel in meine
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