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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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beantwortet. Selbst eine Person von der Schamlosigkeit eines Miguel de Cervantes musste begriffen haben, dass ich nicht mehr sein Freund war. Sollte er sich jemals wieder an mich wenden, würde ich jeden Versuch, unsere alte Freundschaft wiederaufleben zu lassen, verhindern – notfalls mit Gewalt. Die Aussicht, dass wir uns zufällig begegneten, war gering, denn ich hatte mich aus der Welt der hoffnungsvollen madrilenischen Verseschmiede zurückgezogen. Ich beschloss, mein Leben genauso weiterzuführen wie bisher, als sei Miguel noch immer jenseits des Mittelmeers in einem maurischen Kerker eingeschlossen.
    Recht bald nach seiner Rückkehr nach Spanien hörte ich mit Erleichterung, dass er auf eine diplomatische Mission in die Stadt Oran in Nordafrika geschickt worden war. Ein Jahr später bekam ich dann einen Brief von meinem alten Freund Antonio de Eraso aus Lissabon des Inhalts, Miguel sei am spanischen Hof in der portugiesischen Hauptstadt und bemühe sich um eine Stelle in Westindien.
    Antonio war ein hochrangiger Beamter, der bedeutende Aufgaben im Königlichen Indienrat übernahm, eine Institution, die gerichtliche Entscheidungen bezüglich der Territorien des Königs in der Neuen Welt fällte. Als Dank für meine treuen Dienste gegenüber der Krone bei der Steuereintreibung der Guardas von Kastilien war auch ich zum Königlichen Ratsherrn des Indienrats ernannt worden, und ich hatte den Entschluss gefasst, mich unermüdlich einzusetzen und mich meinem König als unersetzlich zu erweisen. In allen Behörden des Rates war Korruption gang und gäbe. Nepotismus war die Norm, viele Beamte bereicherten sich an den Geldern der Krone. Durch Einfluss konnte man zu einem Vermögen kommen. Doch von den Männern, die unter meiner Aufsicht arbeiteten, wurde erwartet, dass sie sich moralisch korrekt und ohne Tadel verhielten.
    Miguel hatte Antonio berichtet, dass wir am Estudio de la Villa befreundet gewesen waren. Da ich am Hauptsitz des Indienrates in Madrid arbeitete, erkundigte sich Antonio bei mir, ob ich Miguel in Anerkennung um seinen heldenhaften Einsatz bei Lepanto für eine Stelle in Westindien empfehlen würde. Antonios Anfrage hatte nichts Ungewöhnliches: In Spanien wurden nur jene mit einer Stellung bei der Regierung belohnt, die über gute Beziehungen verfügten. Für Männer ohne Aussicht auf einen Posten im Dienst der Krone und für alle anderen Abenteurer und Tagediebe war die Neue Welt das Gelobte Land.
    Antonio legte seinem Brief auch Miguels Schreiben bei. Die Schrift war schön und elegant. Seine Jahre am Estudio de la Villa waren also nicht völlig umsonst gewesen. In seinem Billett klagte er über jahrelanges Warten auf eine Pension für verwundete Soldaten oder eine Stelle bei Hof. Neben seinem Dienst als Soldat hob er seine diplomatische Mission in Oran hervor. Abschließend prahlte er damit, dass er an einem Roman namens La Galatea schreibe. War das als Lockmittel an Antonio de Eraso gerichtet, dass er ihn als einen seiner Mäzene nennen würde, wenn er Miguel zu einer Stelle verhalf? Miguel hatte es eindeutig nicht verlernt, sich bei einflussreichen Menschen, die ihm helfen konnten, einzuschmeicheln.
    Obwohl er bei allem gescheitert war, was er jemals in seinem Leben angefangen hatte, durfte ich nicht das Risiko eingehen, dass er sich mit Erfolg in der Neuen Welt niederlassen könnte. Noch war ich nicht bereit, sein Böses mit Gutem zu vergelten. Doch wenn ich Miguels Pläne, ein neues Leben zu beginnen, vereiteln wollte, musste ich mit unbestechlicher Logik vorgehen, damit Antonio nicht den Verdacht schöpfte, persönliche Motive könnten meine Entscheidung beeinflusst haben, Miguel nicht zu empfehlen. In meiner Antwort auf Antonios Brief schrieb ich, ich sei mir Miguels diplomatischer Mission in Oran zwar bewusst, doch habe es sich meines Wissens um einen nebensächlichen Auftrag gehandelt, dessen Bedeutung Miguel übertrieben habe, um sich wichtiger zu machen, als er tatsächlich sei. Der Hauptgrund jedoch, weshalb ich sein Anliegen nicht unterstützen könne, sei, so schrieb ich, dass die Frage nach der Reinheit des Blutes der Familie Cervantes nach wie vor nicht völlig geklärt sei. Und solange das der Fall sei, liefe man Gefahr, die Missbilligung der Kirche zu erregen, wenn man ihm eine Regierungsstelle gebe, und das könne die Krone womöglich in eine diffizile Lage bringen. Ich schloss mit den Worten: »Soll Miguel de Cervantes sich hier nach einer Stelle umschauen.«
    Ich hatte mir

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