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Die Leidenschaft des Cervantes

Die Leidenschaft des Cervantes

Titel: Die Leidenschaft des Cervantes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Manrique
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wunderschöner Einband.«
    Damit meinte er die hellbraune Broschur, auf der zwei Musen neben einem Marmorportal auf Sockeln thronten, darüber eine von zwei Cherubinen gerahmte Ansicht der Stadt Sevilla. Für meinen Geschmack war der Einband etwas zu andalusisch.
    »Wie ich sehe, lesen Don Luis das kontroverse neue Buch von Fernando de Herrera. Freunde der Dichtkunst, zu denen ich mich, wenn ich mich erdreisten darf, ebenfalls zähle, kennen zur Zeit kein anderes Gesprächsthema.«
    Das war interessant. Ich schloss das Buch. »Ich habe gerade erst zu lesen angefangen. Mir war nicht bewusst, dass das Werk kontrovers diskutiert wird. Ist Er ein Dichter, Pascual? Besucht Er regelmäßig die Lyrik- tertulias hier in Madrid?«
    »Ich strebe nicht nach dem Parnass, Euer Gnaden. Aber ich gestehe, dass ich seit meiner Kindheit Verse schmiede.«
    Einen Moment fürchtete ich, er würde mich bitten, seine Gedichte zu lesen.
    »Ich bin kein Gelehrter, Don Luis. Ich habe keine Universität besucht, wenn auch nicht, weil ich nicht den Wunsch verspürt hätte, sondern wegen der Knappheit der Mittel, die meine Familie in den letzten Jahren heimgesucht hat.« Er seufzte. »Aber sei es, wie es wolle … Ich habe gehört, einige kastilische Dichter seien der Meinung, mit dem Buch solle der Ruhm unseres Garcilaso de la Vega geschmälert werden. Wie ich schon sagte, ich habe es nicht gelesen, meine Vermögenslage erlaubt es mir nicht, einen solchen Band zu erwerben, so gerne ich ihn auch besitzen würde. Ich besuche in der Tat die Lyrik- tertulias und höre aufmerksam zu, was gelehrtere Herren als ich über Fragen zu sagen haben, die ganz zu verstehen mir die nötigen Voraussetzungen fehlen – wenn auch nicht die Wissbegier.«
    Ich schob de Herreras Anmerkungen zur Seite. Zum ersten Mal, seit Pascual für mich arbeitete, betrachtete ich ihn etwas eingehender: Er hatte die Blüte der Jugend gerade überschritten. Er trug eine schwarze Kappe, einen kurzen, spitz zulaufenden Bart und einen gewachsten Schnurrbart, dessen Spitzen zu einem Halbkreis gezwirbelt waren. Seine Samtweste war früher einmal violett gewesen, hatte mittlerweile jedoch eine undefinierbare Farbe angenommen. Sein weißes Hemd war makellos, der Kragen gestärkt und ordentlich geplättet, die Manschetten etwas verschlissen. Seine schwarzen Lederstiefel glänzten, doch sah man ihnen an, dass sie viele Besuche beim Flickschuster absolviert hatten. Pascual wirkte wie ein junger Mann, der die abgelegte Kleidung wohlhabender und eleganter Verwandter trug.
    Ich beschloss, ihn zu prüfen. »Auch wenn Er zugibt, das Buch nicht gelesen zu haben, glaubt Er, dass die Kritik de Herreras gerechtfertigt ist?«
    Pascuals Unterlippe zitterte. »Meine bescheidene Meinung ist von keinerlei Bedeutung, Don Luis. Es wäre vermessen, mir eine Meinung über ein Thema zu erlauben, über das sich kluge Männer bereits mit bewundernswürdiger Logik und großem Kenntnisreichtum geäußert haben.«
    Seine Beherrschung des Kastilischen war korrekt, wenn nicht gar anspruchsvoll, in der Art intelligenter, aber nicht über die Maßen gebildeter Menschen. Er hatte die gewinnenden Manieren eines Mannes aus guter Familie, die bessere Zeiten gesehen hatte. Meine Neugierde war geweckt. »Mich interessiert Seine Meinung«, sagte ich.
    »Da Don Luis insistieren«, er zögerte, als müsste er seine Worte genau erwägen, »sage ich, ich glaube aus ganzem Herzen, dass Garcilaso de la Vega unser größter Dichter ist, ein glänzendes Juwel unserer madre patria .«
    »Das versteht sich von selbst, Pascual. Die Frage ist über jeden Zweifel erhaben. Das liegt so klar auf der Hand wie die Tatsache, dass die Sonne die Erde erwärmt.«
    »Mir gefällt auch die Dichtung Fernando de Herreras«, fuhr er fort. »Er ist ein großartiger Barde. Ich widerspreche allen, die ihn als reserviert kritisieren und ihm vorwerfen, dass er nicht die tertulias der Dichter aufsucht.«
    Auch ich war ein großer Bewunderer de Herreras. Ich spürte, dass sich meine Lippen unwillkürlich zu einem Lächeln verzogen. »Dann ist das die Antwort auf die Frage, Pascual. Ein frommer Mann von hohem moralischem Anspruch wie Fernando de Herrera, ein Soldat, der in großen Schlachten gegen unsere Feinde gekämpft hat, ist über kleinliche Kritik erhaben. Ohne Männer wie de Herrera, der sich nicht mit den verweichlichten Posen unserer jungen Poeten abgeben möchte, wäre Spanien nicht die große Nation, die sie ist. Außerdem kann Fernando de Herrera

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