Die leise Stimme des Todes (German Edition)
diesem Tag griff er nach seinem Telefon und wählte Sandens Nummer. Nichts! Nur die verdammte Bandansage, die er inzwischen vollkommen identisch intonieren konnte.
Zumindest musste er seinen Partner in München endlich darüber informieren, dass die Dinge gewaltig aus dem Ruder gelaufen waren; vielleicht würde es ja etwas bringen, sich einen Rat zu holen. Erneut griff er nach dem Hörer. Diesmal wählte er eine Privatnummer. Kurz darauf wurde am anderen Ende abgehoben. Eine tiefe Stimme meldete sich.
„Ich bin es“, sagte Gaster schlicht. Mehr war nicht nötig. Nur wenige Personen kannten diese Nummer.
„Was gibt es?“
„Probleme.“
Ein Seufzen erklang. Der andere hörte nicht gern von Problemen. Er liebte es, wenn alles glatt lief und er sein Leben genießen konnte, deswegen überließ er Gaster nur allzu gern die Führung in ihrer ungewöhnlichen Partnerschaft.
„Wie schlimm ist es?“
„Sehr schlimm“, gab Gaster zu. Dann erzählte er, was sich an diesem Tag bei ORGANIC ereignet hatte.
Das Geräusch, mit dem sich die Tür entriegelte, hallte unnatürlich laut durch den stillen Flur. Mark war sicher, dass der Wachmann das Klicken gehört hatte. Er zögerte nicht, öffnete die Tür und schob Katherine in den Raum, bevor sie etwas sagen konnte. Drinnen schloss er die Tür so leise wie möglich. Es war stockfinster in Gasters Büro. Damit sie keinen Lärm verursachten, indem sie über Gegenstände stolperten oder sie herunterstießen, flüsterte Mark Katherine zu, sie solle sich nicht bewegen.
Wegen der massiven Holztür konnte Mark nicht hören, ob der Wachmann näher kam. Er presste sein Ohr gegen die Tür und lauschte angestrengt. Ein leises Knirschen verriet, dass der Wächter den Türknopf drehte, um zu prüfen, ob die Tür verschlossen war. Mark und Katherine wagten kaum zu atmen, aber nach einigen Sekunden, die ihnen wie eine kleine Ewigkeit erschienen, knirschte es erneut und der Türknopf drehte sich zurück in seine Ausgangsstellung. Trotzdem rührten sie sich in den nächsten zwei Minuten nicht.
„Meinst du, er hat etwas gemerkt?“, raunte Katherine schließlich.
„Glaube ich nicht. Wahrscheinlich hat er das Geräusch gehört, als sich die Tür entriegelte, aber er kann sich die Ursache dafür nicht erklären. Gasters Büro ist verschlossen, das ist alles, was für ihn zählt.“
„Ich kann überhaupt nichts sehen.“
„Warte, ich mach die Taschenlampe an.“
Kurz darauf glitt der bleiche Strahl der Lampe über die Einrichtung von Gasters Büro, bewegte sich über einen wuchtigen Schreibtisch, einen Chef- und einen Besuchersessel, ein vollgestopftes Bücherregal und über Gasters privaten Computer. Der Raum war klein, wirkte eng und trotz seiner Übersichtlichkeit bedrückend und war eigentlich der Position eines Klinikleiters unangemessen, aber Mark wusste, dieser Raum sollte nicht repräsentieren, er sollte etwas verbergen. Nicht einmal ein Fenster hatte das Büro.
„Keine Fenster und an der Tür ein elektronisches Zahlenschloss. Gaster leidet unter Verfolgungswahn“, sagte Mark. „Ich denke, wir können unbesorgt das Licht einschalten.“
Der Strahl der Lampe huschte über die Wände. „Dort ist der Schalter.“
Katherine folgte dem Schein, kurz darauf ging die Deckenbeleuchtung an und beide mussten nach der Dunkelheit für einen Moment die Augen schließen.
„Wie lange haben wir Zeit?“ wollte Katherine wissen.
„Genau dreißig Minuten, dann sorgt ein neuerlicher Lichtausfall dafür, dass wir die Klinik wieder ungesehen verlassen können.“
„Dreißig Minuten?“
„Das sollte reichen. Wir können schließlich nicht die ganze Nacht hier bleiben.“
„Dann lass uns anfangen. Was soll ich tun?“
„Sag ich dir gleich, aber lass mich erst den Computer starten.“
Mark ging um den Schreibtisch herum und ließ sich in Gasters Sessel fallen. Es war ein normaler PC, nichts Ungewöhnliches oder Ausgefallenes, mit Disketten- und CD-Laufwerk. Mark kramte aus seiner Jackentasche eine Packung 3 ½ Zoll-Disketten heraus. Er hatte vor, Kopien von allen wichtigen Dateien zu machen.
Der Computer hatte nicht einmal eine Einschaltsicherung. Anscheinend endete Gasters Sicherheitsdenken in diesem Raum. Hier schien er sich so sicher zu fühlen, dass er keine weiteren Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte. Mark grinste stumm in sich hinein. Es würde ein Kinderspiel werden.
Mark bewegte die Maus. Er befand sich auf dem Desktop. Keine Passworteingabe war erforderlich, mit
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