Die leise Stimme des Todes (German Edition)
der man sich herumplagen musste. Gaster war nicht nur unvorsichtig, aus der Sicht eines Hackers war er ein Idiot, aber das konnte Mark nur recht sein. Je weniger Zeit sie hier drinnen benötigten, desto besser. Er öffnete verschiedene Dateien und Ordner und wurde sogleich fündig. Neben ihm stieß Katherine geräuschvoll den Atem aus.
„Das ist es!“, meinte sie aufgeregt. „Da steht es Schwarz auf Weiß. Ich kann es nicht glauben, der Mann hat über alles Buch geführt.“
Die Liste war lang. Sie enthielt Angaben zu transplantierten Organen, Namen und Adressen von Spendern und Empfängern, die Termine der ausgeführten Operationen. Aber das war es nicht, was Mark und Katherine bleich werden ließ.
Diese unscheinbare Auflistung war gleichzeitig eine Preisliste. Neben jedem Empfängernamen stand die exakte Summe, die er für das beschaffte Organ bezahlt hatte. Es war unglaublich.
Mark sah, dass das Herz eines Spenders aus Belgien für 1,2 Millionen an einen bekannten deutschen Industriellen verpflanzt worden war. Eine Niere, illegal besorgt, kostete zwischen 100 000 und 250 000 Euro. Eine Leber mindestens 400 000 Euro. Bauchspeicheldrüsen wurden mit 350 000 Euro berechnet, menschliche Hornhaut mit 80 000 Euro.
Aber am meisten hatte Gaster an der Verpflanzung von Herzen verdient: Keines war für unter 800 000 Euro verkauft worden. Die Buchstaben, klein, schwarz und nichts sagend, waren der Ausdruck eines unvorstellbaren Verbrechens. Gaster hatte Menschen ermorden lassen, um an ihre Organe heranzukommen. Und er hatte Menschen töten lassen, für die die Spenderorgane eigentlich vorgesehen waren. Die Organe hatte er an skrupellose Reiche verkauft, die es sich leisten konnten, nicht zu warten.
„Kannst du das glauben?“, fragte Katherine neben ihm.
„Wir müssen es glauben.“
„Fahr die Liste runter. Ich will nach bekannten Namen suchen.“
„Die Namen der französischen Studentin und des Rentners, von dem du mir erzählt hast?“
„Ja. Michelle Saranger und Manfred Weber.“
Da die Namen alphabetisch geordnet waren, stießen sie erst am Ende der Liste darauf. Katherine keuchte auf, dann begann sie leise zu weinen. Mark stand auf und nahm sie in die Arme.
„Ich habe es gewusst. Ich habe gewusst, dass mit ihrem Tod etwas nicht stimmte, aber bis zuletzt habe ich gehofft, dass ich mich täusche. Es ist schrecklich.“
„Ja, das ist es.
Beide schwiegen für einen Moment.
„Katherine, ich weiß, es ist hart, aber wir müssen weiter machen. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.“
Sie wischte mit dem Ärmel ihrer Jacke über ihre Augen. „Was soll ich tun?“
„In diesem Computer ist noch mehr. Ich möchte herausfinden, wohin Gaster das Geld geschafft hat, das er mit seinen Machenschaften verdient hat. Nimm einen Stift und notier dir die Dateinamen, die ich dir sage, damit ich sie nachher schneller kopieren kann.“
Katherines Blick wanderte über die Schreibtischplatte. In einer ledernen Ablage lagen mehrere Stifte und ein Füller. Sie nahm sich einen eleganten Kugelschreiber und riss das oberste Blatt von dem Memoblock, der neben dem Monitor stand.
„Es kann losgehen.“
„Wir müssen sofort etwas unternehmen! Sofort!“ Jede Gemütlichkeit war aus der Stimme des Mannes verschwunden.
„Ich habe schon alles unternommen, was nur möglich war. Jetzt heißt es einfach abwarten, bis Sanden und Koszieky sich melden.“
„Das reicht mir nicht. Du hast keine Verbindung mit den beiden, sie könnten längst tot sein, und wir wissen nicht, was Keller und Katherine Tallet planen. Wir müssen etwas unternehmen! Umso mehr, seit du Aufzeichnungen führst über all unsere Unternehmungen.“
Plötzlich zuckte ein furchtbarer Verdacht durch Gasters Gehirn. Konnte es sein, dass Keller und die Tallet versuchten, an seine Aufzeichnungen heranzukommen? Nein! Unmöglich! Niemand ahnte etwas davon. Alle Daten befanden sich in seinem Büro. Allerdings war es nicht ausgeschlossen, dass Keller irgendwo einen Hinweis gefunden hatte. Der Mann war ein Computergenie.
„Vernichte alles!“, verlangte die Stimme aus dem Hörer. „Mir war sowieso nie klar, warum du solche Aufzeichnungen führst. Du musst verrückt sein, schriftliche Beweise für unsere Unternehmungen anzulegen.“
Gaster war jetzt verunsichert. „Meinst du wirklich?“
„Ja!“, knurrte der andere. „Vernichte alles, und ruf mich sofort an, sobald du etwas von Sanden hörst.“
Kurz darauf zeugte ein Klacken davon, dass er aufgelegt
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