Die Lennox-Falle - Roman
nicht.«
»Was ist dann so dringend?«
»Moreau. Er ist sauber.«
»Schön, das zu hören. Von unserer Botschaft kann man das nicht sagen.«
»Das hatte ich schon vermutet, daher sollten Sie das besser beurteilen können. Wenn Sie also auf dem Schlauch stehen und nicht wissen, an wen Sie sich -«
»Augenblick, Wes, ich habe nichts gegen Witkowski«, fiel Lennox ihm ins Wort.
»Ich auch nicht, aber wir wissen nicht, wer ihn bespitzelt.«
»Richtig. Da muß jemand sein.«
»Dann wenden Sie sich an Moreau. Er weiß nicht, daß Sie am Leben sind, also nehmen Sie zuerst Verbindung mit mir auf, dann werde ich ihm das ganze Szenario erklären.«
»Er ist immer noch außen vor?«
»Leider ja.«
20
G erhard Kröger mühte sich - ein Codebuch in der linken und einen Bleistift in der rechten Hand - mit dem Fax aus Bonn ab. Er setzte bedächtig die richtigen Buchstaben über den verschlüsselten Wörtern der Nachricht ein. Seine Erregung steigerte sich, je mehr er sich dem Ende näherte. Als er endlich fertig war, atmete er erleichtert auf: Ihr Informant in der amerikanischen Botschaft hatte das geschafft, was den Blitzkriegern mißlungen war. Die Auskunft des Maulwurfs war nicht einwandfrei, aber er hatte jedenfalls den überlebenden Lennox aufgespürt! Seine letzte Quelle blieb namenlos, aber er behauptete, sie sei dennoch absolut verläßlich, eine Frau, der er häufig Gefälligkeiten erwiesen hatte und die jetzt weit über ihre Mittel lebte.
Falsch lag der Informant allerdings mit seiner Überzeugung, daß nicht Harry Lennox, sondern sein Bruder Drew den Attentatsversuch überlebt hatte. Kröger wußte, daß das absolut lächerlich war; alle Beweise bestätigten das Gegenteil, Beweise aus so unterschiedlichen Richtungen, daß es sich unmöglich um Täuschungsmanöver handeln konnte. Selbst wenn man der Polizei, der Presse und der weitläufigen Suchaktion der Behörden mißtraute, waren da immer noch Moreau vom Deuxième und sein Kollege. Letzterer hatte mit eigenen Augen gesehen, wie Harry Lennox nach den Schüssen den Metrowaggon betreten hatte. Und von allen Amtsträgern im französischen Nachrichtendienst war Moreau der letzte, der es wagen würde, die Bruderschaft zu belügen.
Mein Informant, schloß die Mitteilung aus Bonn, teilt mir mit, daß die Abteilung Dokumente und Recherchen Papiere für einen Colonel Anthony Webster fabriziert hat, einen Militärausweis und eine Botschaftsanforderung für Zimmer im Hotel Intercontinental an der Rue du Castiglione. Dieselbe Quelle erklärt darüber hinaus, sie habe kurz die Ausweiskarte gesehen. Das Foto war offensichtlich ebenfalls getürkt, ein Mann mit vertrauten Gesichtszügen, aber blondem, statt dunkelbraunem Haar, einer auffälligen Brille und mit einer Uniform bekleidet. Obwohl sie
nie ein Foto von Harry Lennox gesehen hat, glaubt sie, daß es sich bei dem Mann auf dem Bild um seinen Bruder Drew, einen Agenten von Consular Operations, handle. Nach den von der Sicherheitsabteilung bestätigten Aufzeichnungen der Botschaft ist der Leichnam Drew Lennox’ auf dem Luftweg zu seiner Familie in den Vereinigten Staaten übergeführt worden. Meine eigenen Recherchen, die sich auch auf die Ladepapiere amerikanischer Diplomatenmaschinen erstreckten, zeigen für das in Frage kommende Datum keine derartige Sendung auf. Deshalb handelt es sich nach meiner Beurteilung bei dem Lennox im Intercontinental nicht um Harry Lennox, sondern um seinen Bruder. Dieser Lennox hat mit der Sicherheitsabteilung der Botschaft und der Holländerin Karin de Vries eine Strategie in Gang gesetzt, um ein Mitglied oder mehrere Mitglieder unserer Bruderschaft in eine Falle zu locken. Ich hoffe, im Laufe des heutigen Abends Näheres darüber zu erfahren, und werde mich zu diesem Zweck vor Lennox’ Hotel postieren und ihn, selbst wenn ich die ganze Nacht und den ganzen Tag dazu brauche, in meine Gewalt bringen und es herausfinden. Oder ich werde ihn nach der vorgeschriebenen Methode töten.
Blödsinn, dachte Kröger, Brüder sehen sich häufig ähnlich. Weshalb sollten die Amerikaner bezüglich des toten Lennox lügen? Dafür gab es keinen Grund, aber es gab eine Menge Gründe, die dagegen sprachen! Harry Lennox’ Liste war der Schlüssel für die globale Suche nach den auf der ganzen Welt neu in den Vordergrund tretenden Nazis. Die Amerikaner brauchten ihn und gaben sich gerade deshalb solche Mühe, sein Leben zu schützen, angefangen bei ihrem Bündnis mit den lästigen Antineos bis hin zur
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