Die Lennox-Falle - Roman
meine Verachtung zu verbergen. All die Gefühle, die ich jetzt verdränge, würden in dem Augenblick, wo ich sie vor mir sehe, in mir hochkommen. Was Sie da verlangen, ist einfach unvernünftig.«
»Ich will Ihnen sagen, was unvernünftig ist, Mr. Ambassador«, unterbrach ihn Sorenson. Seine Stimme klang jetzt schroffer. »Unvernünftig ist genau das, was Sie gerade gesagt haben. Daß man nämlich einen Mann Ihrer Intelligenz und Ihrer großen Erfahrung, einen Diplomaten im Auswärtigen Dienst, der Botschaften auf der ganzen Welt kennt und stets vor Spionage jeder Art auf der Hut ist, so täuschen kann, daß er ein Sonnenkind heiratet, eine Nationalsozialistin. Und lassen Sie mich Ihnen sagen, was sogar noch unvernünftiger ist. Diese Leute haben sich jetzt zwischen dreißig und fünfzig Jahre versteckt gehalten. Jetzt ist ihre Zeit gekommen, und sie kriechen aus den Ritzen, aber wir wissen nicht, wer sie sind oder wo sie sind, nur daß es sie gibt. Sie haben eine Liste mit Hunderten von Männern und Frauen in einflußreichen Positionen hinausgeschickt, die Teil ihrer globalen Bewegung sein können oder auch nicht. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, was für ein Klima der Angst und Verwirrung sich im Augenblick in diesem Land ausbreitet und auch in den Ländern unserer engsten Verbündeten. Sie können das selbst sehen. Und gar nicht mehr lange, dann wird Hysterie aufkommen - und keiner wird seinem Nächsten mehr trauen.«
»Ich widerspreche all dem nicht, was Sie sagen, aber wie kann ich das ändern, wenn ich nach Paris zurückkehre, als wäre nichts geschehen?«
»Wir müssen in Erfahrung bringen, wie diese Sonnenkinder arbeiten, mit wem sie Kontakt haben, wie sie ihr Netz in der
neuen Generation von Nazis aufgebaut haben. Sehen Sie, es muß eine Infrastruktur geben, eine Befehlskette, eine Hierarchie, und die gegenwärtige Mrs. Courtland, die brillante Frau des amerikanischen Botschafters in Frankreich, kann da nicht bloß ein kleines Rädchen sein.«
»Sie glauben wirklich, daß Janine Ihnen, ohne dies selbst zu wissen, helfen kann?«
»Sie ist im Augenblick unsere beste Chance - die einzige. Selbst wenn wir noch ein Sonnenkind fänden, dann würden sie ihr Rang, die Umstände und die Tatsache, daß sie ja nur einen Katzensprung von den Grenzen Deutschlands entfernt ist, zu einer Kandidatin ersten Ranges machen. Wenn sie Kontakt zur Hierarchie aufnimmt oder die zu ihr, dann kann sie uns geradewegs zu den versteckten Führern bringen, die hinter der Bewegung stehen. Wir müssen jene Führer finden und sie enttarnen. Das ist die einzige Möglichkeit, um das Krebsgeschwür herauszuschneiden … Helfen Sie uns, Daniel, bitte helfen Sie uns.«
Wieder saß Courtland schweigend da. Er verlagerte sein Gewicht im Sessel, und es sah so aus, als wüßte er nicht, was er mit seinen Händen anfangen sollte. Er war unruhig, fuhr sich mit den Fingern durch sein ergrauendes Haar und rieb sich ein paarmal das Kinn. Schließlich sagte er: »Ich habe gesehen, was diese Schweine tun, und verachte sie zutiefst … Ich kann nicht garantieren, daß ich es schaffen werden, aber ich werde es versuchen.«
Janine Clunes-Courtland trat an die elegante, lederbezogene Theke der Boutique und verlangte den Geschäftsführer zu sprechen. Kurz darauf erschien ein schmächtiger, schlanker Mann mit einem blonden Toupet, das eine dichte Haarmähne vortäuschte und ihm bis in den Nacken reichte. Er trug Reitkleidung mit Jodhpurs und Stiefeln. »Ja, Madame, wie kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte er und blickte an ihr vorbei auf einige Kunden, von denen mehrere vor den Schaukästen standen, während andere es sich auf Sesseln bequem gemacht hatten.
»Sie haben ein hübsches Geschäft«, erwiderte die Frau des Botschafters und ihre Redeweise ließ keine Zweifel an ihrer Herkunft.
»Ah, eine Amerikanerin«, strahlte der Geschäftsführer.
»Ist das so offenkundig?«
»Oh nein, Madame, Ihr Französisch ist ausgezeichnet.«
»Mein Freund André schult mich in Ihrer Sprache, aber ich glaube manchmal, daß André zu sanft ist. Ja, er müßte strenger zu mir sein.«
»André?« fragte der schmächtige Mann und musterte Janine scharf.
»Ja, er sagte, Sie würden ihn kennen.«
»Der Name ist weit verbreitet, nicht wahr, Madame? Ein Kunde namens André hat ein paar Stiefel hier gelassen, die wir repariert haben und die vorgestern fertig wurden.«
»Ich glaube, André hat da etwas erwähnt.«
»Bitte, kommen Sie mit.« Der
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