Die Lennox-Falle - Roman
von Paris zu beschützen. Vielleicht hat sie sich gar nicht verspätet, sondern ist schon vor meiner Ankunft hereingekommen und dann wieder weggegangen.«
»Wie sieht sie aus?«
»Mittelgroß und recht attraktiv, Anfang Vierzig vielleicht. Hellbraunes Haar, und wie man mir sagt, trägt sie ein teures Sommerkleid, weiß und pink.«
»Monsieur, Ihre Beschreibung trifft auf die Hälfte unserer Kundinnen hier zu!«
»Sagen Sie«, fragte der Killer im Nadelstreifenanzug, »könnte es sein, daß sie den Laden vielleicht durch einen Hinterausgang verlassen hat?«
»Das wäre höchst ungewöhnlich. Weshalb sollte sie das?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete der Deutsche, dessen Tonfall seine Besorgnis nicht mehr verhehlen konnte. »Ich habe ja nur gefragt, ob es möglich ist.«
»Lassen Sie mich überlegen«, sagte der Angestellte und sah sich mit gerunzelter Stirn im Laden um. »Da war eine Frau in einem pinkfarbenen Kleid, aber ich habe sie dann später nicht mehr bemerkt, weil ich mit der Gräfin Levoisier beschäftigt war, einer reizenden, aber sehr anspruchsvollen Kundin.«
Der Killer sah sich wieder hin- und hergerissen. Sein Kontrolloffizier hatte die Lederboutique als die »André-Verbindung« bezeichnet. Wenn er mit seinen Fragen zu weit ging, dann konnte es durchaus sein, daß Bonn von seiner Unvorsichtigkeit erfuhr. Andererseits, wenn die Frau des Botschafters sich im hinteren Teil des Ladens befand oder an einen anderen Ort gebracht worden war, mußte er das wissen. Frau Courtland hatte die Botschaft ungeschützt verlassen, nicht in der üblichen Limousine mit einem bewaffneten Chauffeur. Die Umstände waren ideal, und vielleicht würde es Tage dauern, bis sie wieder so günstig waren. Tage! Und sein Auftrag duldete keinen Aufschub. »Wenn Sie erlauben«, sagte er zu dem freundlichen Verkäufer, »es handelt sich ja schließlich um offizielle Belange, und die Regierung wäre Ihnen wirklich sehr dankbar. Könnten Sie mir vielleicht sagen, ob André anwesend ist?«
»Du lieber Gott, schon wieder dieser Name! André ist heute äußerst populär, aber hier ist kein André. Aber wenn Nachrichten für ihn kommen, nimmt der Geschäftsführer, Monsieur Rambeau, sie entgegen. Aber der ist heute leider schon nach Hause gegangen.«
»Sie sagten, heute äußerst populär?«
»Oh ja. Erst vor wenigen Minuten hat mir eine bezaubernde junge Dame mit einer tollen Figur eine Nachricht für André übermittelt.«
»Was war das für eine Nachricht?«
»Sie hat gesagt, er solle Berlin anrufen.«
Der Killer starrte den Verkäufer ein paar Augenblicke lang wie vom Blitz gerührt an. Dann rannte er wortlos aus dem Laden.
25
K arin de Vries zog zu Drew ins Hotel Normandie, nachdem sie sich von Stanley Witkowski dessen knurrend gegebene Zustimmung eingeholt hatte. Es war später Nachmittag, und Drew saß am Schreibtisch und las das Protokoll der Befragung seines Bruders. Karin hatte ihm vorgeschlagen, es anzufordern; inzwischen waren immer mehr Fragen über Harry Lennox’ Liste aufgekommen. »Da steht es«, sagte Drew und deutete auf eines der Blätter. »Harry hat nie behauptet, daß die Namen mit ehernen Lettern geschrieben seien … hör dir das an: ›… ich habe Ihnen das Material gebracht, Ihre Aufgabe ist es jetzt, das Material auszuwerten.‹«
»Dann hatte er selbst also auch Zweifel?« fragte Karin, die im Wohnzimmer der Suite auf der Couch Platz genommen hatte, und ließ die Zeitung sinken, die sie in der Hand hielt.
»Nein, das eigentlich nicht, aber er hat immerhin die Möglichkeit in Betracht gezogen. Als man andeutete, man hätte ihm falsche Namen untergejubelt, wurde er wütend. Da: ›Man hat mir vertraut bis zu meiner Flucht, ich galt als Mäzen, der ihrer Sache treu und fest ergeben ist. Warum sollten sie mir falsche Informationen zuspielen?‹«
»Mir gegenüber wurde er genauso wütend, als ich ihm sagte, daß die Bruderschaft über ihn informiert war.«
»Beiden hat er uns das übel genommen. Und gleich darauf, als ich ihn fragte, wer Kröger sei, hat er etwas gesagt, was ich den Rest meines Lebens nicht vergessen werde … ›Lassiter kann es dir sagen, ich sollte das, glaube ich, nicht‹. Er war zwei Menschen, in einem Augenblick er selbst, im nächsten Lassiter. Kannst du dir vorstellen, wie einen das belastet?«
»Ich weiß, Liebster, aber jetzt ist es vorbei, er hat seinen Frieden.«
»Das hoffe ich, das hoffe ich wirklich. Ich bin übrigens nicht religiös, ich mag die meisten
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