Die Lennox-Falle - Roman
»Und Sie konnten gar nichts unternehmen, ihr nicht helfen?«
»Ich wußte es nicht. Unsere Mutter war gestorben und ich war dreizehn Monate lang im Mittelmeersektor untergetaucht. Als ich nach Paris zurückkehrte, fand ich in der Post, die man mir aufgehoben hatte, vier Fotos aus den Archiven der Ostberliner Polizei, die mir die Stasi hatte zukommen lassen. Sie zeigten die sterblichen Überreste meiner kleinen Schwester.«
»Claude, Sie Armer, was für eine grauenhafte Geschichte!«
»Aber Sie haben doch eine ähnlich qualvolle Geschichte zu erzählen, meine Liebe, nicht wahr?«
»Wie haben Sie das herausgefunden?«
»Das erkläre ich Ihnen später. Zuerst muß ich meine Frage wiederholen: Wann werden Sie es unserem amerikanischen Freund sagen? Oder haben Sie das nicht vor?«
»Das kann ich im Augenblick nicht -«
»Dann benutzen Sie ihn also bloß«, fiel Moreau ihr ins Wort.
»Ja«, rief Karin aus. »So hat es angefangen, aber dann ist alles ganz anders gekommen. Sie können von mir denken, was Sie wollen, aber ich liebe ihn - jetzt liebe ich ihn. Für mich ist das ein viel größerer Schock als für irgend jemanden sonst. Er hat so viele Eigenschaften von Freddie - zu viele sogar, und das macht mir angst. Er ist warm und interessiert und zornig; ein guter Mann, der sich bemüht, sein Ziel zu finden. Er ist ebenso verloren, wie wir alle, aber er ist fest entschlossen, Antworten zu finden. Freddie war zu Anfang ganz genauso. Ehe er anfing, sich zu verändern und schließlich zu einem Besessenen wurde.«
»Wir haben beide vor ein paar Augenblicken gehört, wie Drew über Courtland sprach. Die Kälte, die dabei von ihm ausging, hat mich erschreckt. Ist das dieselbe Kälte wie bei Freddie?«
»Nein, keineswegs. Drew wird in solchen Augenblicken zu seinem Bruder, dessen Rolle er spielt. Er muß Harry sein.«
»Dann sollten Sie ihm die Wahrheit sagen.«
»Was ist die Wahrheit?«
»Ihr Mann lebt, Frederik de Vries lebt, aber niemand weiß, wo er ist oder wer er ist.«
Die Schutzmannschaft des Deuxième bestand aus François, dem verhinderten Rennfahrer, und zwei Leibwächtern, deren Namen für Lennox so schwer auszusprechen waren, daß er sie »Monsieur Frick« und »Monsieur Frack« taufte.
»Reden Ihre Töchter wieder mit Ihnen, François?« fragte Drew vom Rücksitz aus, wo er und Monsieur Frack Karin in die Mitte genommen hatten.
»Kein Wort«, erwiderte François. »Meine Frau hat ihnen Vorhaltungen gemacht und ihnen erklärt, daß sie ihrem Vater Respekt erweisen müssen.«
»Hat es was genützt?«
»Überhaupt nichts. Sie sind in ihr Zimmer gegangen, haben die Tür zugemacht und ein Schild ›Zutritt verboten‹ davorgehängt.«
»Sollte ich da auch informiert werden?« fragte Karin.
»Nur den naheliegenden Schluß ziehen, daß Töchter zu ihren Vätern manchmal recht grausam sein können«, antwortete Lennox.
»Ich glaube, ich lasse es dabei bewenden.«
Zwanzig Minuten später trafen sie am Deuxième Bureau ein, einem unauffälligen Bau mit einer Tiefgarage, zu der sie erst nach gründlicher Inspektion durch bewaffnete Wachposten Zutritt erhielten. Frick und Frack brachten Drew und Karin in einer mit Stahlwänden versehenen Aufzugkabine nach oben. Als sie im fünften Geschoß eintrafen, brachte man sie zu Moreaus Büro, das eher wie ein großes Wohnzimmer aussah, und in dem die Jalousien halb zugezogen waren. Ein ganzes Arsenal von Computern und anderen High-Tech-Geräten störte freilich den behaglichen Eindruck, den das Mobiliar sonst verbreitet hätte.
»Und mit all dem Zeug können Sie umgehen?« fragte Drew mit einer weit ausholenden Handbewegung.
»Was ich nicht weiß, weiß meine neue Sekretärin, und was sie nicht weiß, schafft mein Kollege Jacques. Und wenn wir echte Probleme bekommen, dann werde ich einfach meine neue Freundin, Madame de Vries, rufen.«
» Mon Dieu «, rief Karin aus, »das ist ja traumhaft! Da schauen Sie, ständiger Kontakt mit einem Dutzend Satelliten. Und da, Telekommunikation mit jedem noch so fernen Winkel der Welt, wo entsprechende Empfänger stehen.«
»Ich habe ein wenig Probleme mit diesem Apparat«, sagte Moreau. »Vielleicht können Sie mir helfen.«
»Die Frequenzen wechseln beständig, im Abstand von Minisekunden«, sagte de Vries. »Die Amerikaner sind damit beschäftigt.«
»Das waren sie, aber ein Computerfachmann namens Rudolf Metz hat ihnen einige Probleme bereitet, als er plötzlich aus den Vereinigten Staaten verschwand und in
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